CI-Einstellungen berechnen

  • Hallo,

    ich möchte hier mal eine Möglichkeit beschreiben, wie man einem Audiologen Werte für die Einstellung zur Verfügung stellen kann.

    Zunächst erkläre ich, was mich zu der Möglichkeit gebracht hat. Ich hatte das Gefühl, dass die Einstellungen meiner CIs nicht richtig waren. Subjektiv waren tiefe Stimmen zu laut/übersteuert, hohe Stimmen teilweise zu leise und es gab auf beiden Seiten Unterschiede in der Wahrnehmung der Lautstärke und des Klangs. Einige mir sehr bekannte Stimmen hörten sich falsch an, also nicht so, wie ich sie noch von meiner Zeit als gut Hörender in Erinnerung hatte. Ich war aber nicht in der Lage, dass möglichst genau zu beschreiben.
    Ich konnte z.B. nur sagen, dass meine Frau sich anhört, als hätte sie u.a. eine verstopfte Nase.
    Oder dass die Autogeräusche, wenn ich gefahren bin, sich auf der linken Seite teilweise wie ein Wasserkocher mit kochendem Wasser anhörten. Rechts dagegen ganz anders.

    Im Auto kam ich dann auf die Idee, mit Hilfe des dort vorhandenen Equalizers zu testen, ob sich der Klang verbessert, wenn ich da etwas an der Einstellung (Höhen/Mitten/Tiefen) verändere. Da habe ich dann festgestellt, dass eine Reduzierung der Tiefen und eine Anhebung der Mitten leichte Verbesserung bringt. Allerdings gefiel mir der Klang dann nur bedingt besser. Dann habe ich beide CIs abwechselnd abgenommen und festgestellt, auf jeder Seite unterschiedliche Equalizer-Einstellungen zu einem besseren Klang führten.

    Ich habe mir die Werte der Equalizer-Einstellungen notiert und bin damit zur Anpassung gefahren, in der Hoffnung und Erwartung, dass mir dort anhand der Erkenntnisse eine bessere Einstellung gemacht werden könne. Das Ergebnis war etwas besser, aber nicht befriedigend. Daraufhin habe ich mir zuhause überlegt, wie ich das genauer bestimmen kann.

    Also habe ich mir für mein Smartphone eine Equalizer-App installiert, auf der nicht nur drei Bereiche (Höhen/Mitte/Tiefen) verändert werden können, sondern mehr. Da ich weiß, dass ich mit meinen CIs Frequenzen von 70 Hz bis 8000 Hz höre, brauchte ich also eine App, die in diesem Bereich möglichst viele Bereiche/Kanäle hat. Nachdem ich eine App mit 10 Kanälen gefunden und installiert habe, habe ich dann mein Smartphone mit einem Bluetooth-Lautsprecher gekoppelt und mir ein Hörbuch darüber vorgespielt und dann für jede CI-Seite Equalizer-Einstellungen gemacht, die zu einem besseren Klang geführt haben. In dieser App wurde angezeigt, um wieviel dB die einzelnen Kanäle von der Standard-Einstellung abweichen. Dies habe ich mir notiert und bin damit wieder zur Anpassung gefahren.

    Es gab wieder eine Verbesserung, aber in Teilen auch eine Verschlechterung, was mich überraschte. Es stellte sich heraus, dass meine Audiologin nicht wusste, wie Sie die von mir vorgegebenen dB-Werte möglichst genau auf die Elektroden-Werte in dem Programm übertragen sollte. Außerdem lagen die Kanäle in der App bei beispielsweise 125 Hz, 250 Hz, 500 Hz, 1000 Hz usw. Da die Mittenfrequenzen der Elektroden meiner Implantate aber nicht exakt auf den Werten der Kanäle der App liegen, war mir klar, dass ich hier auch nur mühsam zu besseren Einstellungen der CIs komme.

    Daher habe ich weiter recherchiert und bin auf eine Equalizer-App (EqualizerAPO) gekommen, bei der ich die Kanäle in der Frequenz verändern kann. Diese App habe ich dann auf meinem Notebook installiert. Dann habe ich die Kanäle auf die Mittenfrequenzen meiner Elektroden eingestellt. Die Werte der Mittenfrequenzen habe ich vom meiner Audiologin erhalten. Sie stehen auf dem sogenannten Fitting Map Report. So nennt sich das zumindest bei MED-EL. In dem Fitting Map Report stehen auch die MCL-Werte, die meine Audiologin bei den Anpassungen verändert hat. Auf ihrem Bildschirm wurde eine Grafik mit Balken dargestellt und sie hat die Höhe der Balken verändert.

    Bei MED-EL hatte ich dann auch gefragt, ob und wie eine Umrechnung von den dB-Wert-Veränderungen auf die Elektroden-Werte möglich sei. Ich wusste, dass die Veränderung bei den dB-Werten logarithmisch verläuft. Mir wurde geantwortet, dass MCL-Skala linear verlaufe und es gäbe keine Umrechnungsformel. Allerdings könne ich mit einer prozentualen Umrechnung als Annäherung starten.

    Dann habe ich mir wiederum ein Hörbuch vorgespielt, diesmal war dann der Bluetooth-Lautsprecher am Notebook gekoppelt. Mit Hilfe meines Smartphones und einer darauf installierten App habe ich die Lautstärke des Gesprochenen kontrolliert und am Notebook die Lautstärke so eingestellt, dass mit ca. 70dB gesprochen wurde. Das war für mich laut, aber nicht unangenehm laut. Ich konnte durch Veränderung der einzelnen Kanäle wiederum einen besseren Klang und ein besseres Verstehen des Gesprochenen bestimmen. Nun habe ich mir wieder die Werte notiert und habe dann die Umrechnung gestartet.

    Anbei nun ein einfaches Umrechnungsbeispiel für einen Elektroden-Wert:

    Bei der dritten Elektrode auf der linken Seite habe ich durch eine Veränderung um +7 dB einen besseren/deutlicheren Klang gehört. Das bedeutet also eine Veränderung um +10%. Dann habe ich den MCL-Wert, der bei 30,00 qu lag, auch um +10% erhöht und diesen Wert (33,00 qu) notiert.

    Dies habe ich dann für alle Elektroden auf beiden Seiten gemacht und bin mit der Tabelle wieder zur Anpassung gefahren. Meine Audiologin war sehr überrascht, weil damit bislang noch kein Patient bei Ihr angekommen ist, aber sie war offen dafür und hat mir die Werte eingetippt. Das Ergebnis war dann eine deutliche Verbesserung, aber ich habe auch relativ schnell nach der Anpassung gemerkt, dass da noch Verbesserung möglich ist.

    Dieses Prozedere habe ich dann einige Male durchgeführt und ich habe zu Beginn häufig gedacht, hier und da ist noch etwas übersteuert und es sollte an einigen Stellen etwas reduziert werden. Irgendwann habe ich festgestellt, dass es aber zu einem besseren Klang führen kann, wenn nicht die vermeintlich zu lauten Elektroden in ihren MCL-Werten reduziert werden, sondern die benachbarten Elektroden angehoben werden.

    Außerdem war bei dem Vorgehen für mich wichtig, dass ich den Aufbau von Laptop und Bluetooth-Lautsprecher in einer akustisch anstrengenden Umgebung mache, um Unterschiede im Klang bzw. der Verständlichkeit von Gesprochenem besser raushören zu können.

    Mittlerweile bin ich mit meinen Einstellungen sehr zufrieden, habe aber noch Verbesserungsbedarf in einem Bereich, der nach meinen Erkenntnissen nicht über die MCL-Werte verändert bzw. verbessert wird. Es geht darum, dass auf meiner rechten Seite leise Geräusche lauter als auf der linken Seite zu hören sind. Da meine Audiologin mir da mit ihrem Änderungsvorschlag (Anpassung der THR-Werte) bislang nicht für Verbesserung sorgen konnte, kommen nach meiner Erkenntnis Veränderungen bei anderen Parametern (Kompressionsrate/Maplaw) in Betracht.

    Ich bin gespannt, ob jemand hier aus dem Forum das von mir beschriebene Verfahren bei sich anwendet und was dabei rauskommt.

    Viel Erfolg!

    Thorsten

  • Solch Gedanken hatte ich auch schon...

    Im Prinzip die Einstellungen im Fine Tuning selbst zu machen...

    Vielleicht kommt so etwas ganz offiziell mal raus. So wie du es beschrieben hast ist es ja kein Hexenwerk und muss einfach in eine Applikation gepackt werden.

    Also im Idealfall sieht man in der App die 14 Elektroden und kann dann die neue Einstellung sozusagen simulieren.

    Beim Akustiker wird die simulierte Einstellung dann "live" geschaltet.

    Das wäre ein Ding!

    Kannst Du an der Sache dran bleiben?

    Ich meine, Du hattest ja schon Kontakt zu den MedEl Ingenieuren...

    Gruß

  • Ja, den Wunsch mit der separaten Lautstärke-Einstellung habe ich auch schon vor einiger Zeit bei MED-EL geäußert. Es wurde an die Entwicklung weitergegeben...

    😂
    Ich hoffe, bei dieser Adresse hast du mehr Erfolg als ich.

    Ansonsten wundert es mich, dass du den Aufbau so durchführen musstest. Eigentlich sollte das die Audiologin in Zusammenarbeit mit dem Hörtest schon so machen und prüfen, dass alle Elektroden auf beiden Ohren gleich laut klingen. Sankt Wendel tut das zumindest.

    Mein Audiologe Nacht das zwar nur nach meinen persönlichen Empfinden, hat aber gut geklappt.

    Was allerdings wichtig ist: Jede Frequenz sollte sich links und rechts gleich hoch anhören (egal ob auf dem anderen Ohr ein CI oder Hörgerät hängt)

    Links: Advanced Bionade 16:12:20 Ersatz von 15:01:21

    Rechts: Cocktail Mix 20:02:20 Ersatz von 11:03:20

    Genesung Op 2

    Die kognitive Potenz hat eine extraordinäre Relevanz für die Dialektik

    Oder anders ausgedrückt

    Der Unterschied zwischen Theorie und Praxis besteht darin, dass man durch Praxis einen außerordentlichen Musikgenuss erleben kann, der in der Theorie mancher Technikfanatiker überhaupt nicht möglich ist

    Lachs i. 2 fel

    Ein Leben ohne Musik ist wie ein wasserscheuer Fisch

  • Hallo Thorsten,

    DAS ist der BESTE Anstoß den ich je gelesen habe! Tatsächlich in die Praxis umgesetzt, eigene persönliche "Noten" ermittelt - der Hammer! Das mit Deinem Ci-Techniker, eine bessere Verbindung in dieser Form des Einstell-Dialoges kann es nicht geben. Es freut mich, daß Dir die Umsetzung so gelungen ist. Danke für Deine genaue Beschreibung und sogar aus der Ferne einen Dank an Deinen Techniker. Das sollte Schule machen!

    In Ansätzen habe ich zu Hause auch schon so gearbeitet und die Frq. ermittelt. Jedoch immer nur den Höreindruck beider Seiten betrachtet. Die Trennung im Test, das ist wohl besser die richtige Strategie, welche Du praktiziert hast. Meine Versuche liefen eher darauf hinaus eine "gewisse Klangtreue" zu erreichen. Zu meinem nächsten Einstelltermin werde ich mal Deine Zeilen als Lesestoff für den CI-Techniker da lassen ... strategisch vorgehen ;) Ich bin mir sicher, auch mein Techniker wird sich darauf "einlassen" und mit mir das Feintunig umsetzen.

    "Nieder mit der Schwerkraft, ein dreifaches Hoch auf den Leichtsinn" ;)

    Spoiler anzeigen

    Erstaktivierung 2007 (rechts)

    Erstaktivierung 2009 (links) seit dem sind beide CI's meine perfekten Begleiter! :love: (Stand 2023 Naída CI M90)

  • @NiDa:

    Ich hab zumindest eine ganz kleine Hoffnung, dass ein Student im Rahmen einer Studienarbeit solch eine Variant der App erstellt.

    Ein großer Fortschritt wäre für mich schon, wenn im Q3 diesen Jahres die ersten richtigen Fernanpassungen stattfinden. Dann spare ich mir 3 1/2 Stunden Fahrtzeit und kann Anpassungen live in einer akustisch schwierigen Umgebung testen. Mal sehen, wie das klappt.

    Leider klappt es mit der Audiologin wie von Dir angenommen nicht so. Sonst wäre ich nicht auf meine Methode angewiesen.

    In St.Wendel war ich auch schon und kann das leider aus eigener Erfahrung nicht bestätigen, dass die Audiologen so vorgehen.

    Linke und rechte Seite haben bei mir in einigen Frequenzbereichen eine sehr unterschiedliche Wahrnehmung. Um so erstaunlicher ist es, dass beide Seiten zusammen ein gutes Klangbild bieten.

    Ich hab es schon mit der anatomiebasierten Anpassung versucht und dann klangen beide Seiten sehr ähnlich, allerdings hörte Sprache sich so tief wie Deathmetal-Gesang an. Nicht gut.

    Du hattest mir auch schon mal geschrieben, wie man das anders angehen kann. Leider war das Ergebnis nicht befriedigend.

    Vielleicht versuche ich das jetzt nochmal erneut.

    Links habe ich zwölf Elektroden, rechts nur elf zur Verfügung. Die 8kHz Elektroden ist vermutlich nicht in der Schnecke.

    Schreib mir doch bitte, welch Seite ich auf die andere abstimmen soll.

    Wegen der unterschiedlichen Lautstärkenwahrnehmung bei leisen Geräuschen werde ich mich aber auch mit MED-EL zu Maplaw und Kompressions-Verhältnis austauschen. Leider hat meine Audiologin auch diesbezüglich nicht viel Wissen.

    Gruß Thorsten

  • Timothyx:

    Wenn ich nur einen weiteren CI-Träger mit dem Beitrag helfen kann, war es nicht verkehrt, das hier reinzustellen.

    Ich hatte auch schon den Gedanken, einen Artikel für die Schnecke zu schreiben. Vielleicht hole ich das demnächst nach.

    Gruß Thorsten

  • Moin Thorsten, interessante Herangehensweise. Mir selbst ist das doch etwas aufwendig, zumal ich bimodal unterwegs bin und das CI und Hg zu verschieden klingen. Ich habe einen Hochtonabfall.

    Ein unterschiedlicher Klang ist auch bei zwei CIs kaum zu vermeiden, weil die Elektroden ja nicht exakt gleich tief eingeführt werden und nicht den exakt gleichen Abstand zu dem Hörnerv haben. Gewöhnt man sich nicht einfach dran?