Komme ich mit jemandem ins Gespräch, der von meiner Schwerhörigkeit nichts weiss, wird früher oder später meine Hörbehinderung Thema. Sei es, dass die Umgebungsgeräusche so laut sind, dass ich Mühe habe, mein Gegenüber zu verstehen; oder, in ruhiger Umgebung, meine Hörgeräte fallen auf. Für mich stellt sich dann jeweils die Frage, mit welchen Eigenschaftsworten ich meine Hörsituation umschreibe. Bisher sagte ich jeweils meist «ich bin schwerhörig».
Auch letzthin war das so, worauf mich mein Gegenüber fragte, ob ich ihn denn verstehen könne. Die Frage überraschte mich, hatten wir uns doch bereits fünf Minuten unterhalten, wobei ich verschiedentlich auf seine Äusserungen eingegangen war. Später darüber nachdenkend, kam ich zum Schluss, dass seine Frage wohl mit dem Wort «schwerhörig» zu tun haben musste, welches deutsch und deutlich zum Ausdruck bringt, dass der Betroffene nicht gut hört.
Dieser Gedanke machte mir bewusst, dass ich mit der Bezeichnung «schwerhörig» für einmal danebengegriffen hatte. In Tat und Wahrheit war ich nämlich, in der angenehmen ruhigen Umgebung, in der wir uns befanden, ausgesprochen guthörig. Schwerhörig beziehungsweise sogar gehörlos, was Sprachäusserungen betrifft, wäre ich gewesen, hätte ich meine Hörgeräte nicht in Betrieb gehabt. Um mich in Schutz zu nehmen, muss ich klarstellen, dass ich mit der Äusserung «ich bin schwerhörig» in meinem Selbstverständnis in abgekürzter Form zum Ausdruck bringen wollte «ich bin schwerhörig und deshalb benötige ich elektronische Hilfsmittel, um sprachliche Äusserungen meines Gegenübers verstehen zu können».
Nun ist es aber selten so, dass das, was man beim Gesagten mitmeint, beim Gegenüber auch ankommt. Und so war es ganz offensichtlich auch in der geschilderten Situation, die sich mit anderen Gegenüber in vergleichbaren Situationen noch oft wiederholen könnte. Menschen ohne Hörschwäche fehlt meist das Hintergrundwissen, um im direkten Kontakt spontan auf die Idee zu kommen, ein schwerhöriger Mensch könne gut hören. Und dieses Wissensdefizit ist niemandem übelzunehmen. Es liegt an mir, im sprachlichen Ausdruck situationsangepasst für mehr Klarheit zu sorgen. Zum Glück weiss ich auch schon wie. «Ich bin maschinenhörig», sage ich fortan in vergleichbaren Situationen.
Das Adjektiv «maschinenhörig» lenkt die Aufmerksamkeit auf das Hören. «Aha, der hört und sein Hören hat etwas mit einer Maschine zu tun», flüstert das schnelle Denken, wenn es das ungewohnte «maschinenhörig» verarbeitet. Und es wird wohl eine Frage zum Maschinellen folgen lassen. Das Maschinelle erkläre ich auch, nachdem ich mich als «schwerhörig» bezeichnet habe. Nur muss ich als Maschinenhöriger nicht mehr die Meinung entkräften, wonach Schwerhörige immer schlecht hören.
Das «hörig» in «maschinenhörig» hat neben dem Hören noch eine zweite Bedeutung. Und diese bringt einen anderen Aspekt meiner Situation als Hörbehinderter treffend zum Ausdruck: ich bin meinen tollen Maschinen hörig – ergeben und abhängig eben. Vergesse ich, meine Maschinen beim Baden im Mittelmeer abzunehmen oder vorgängig wasserdicht zu verpacken, dürfte es mit meinem Hören für längere Zeit vorbei sein. Und schon ein einziger ungebetener, stiller Tag kann sehr lang sein.