Erfahrungen von im Erwachsenenalter implantierten CI Trägern

  • Hallo liebe DCIG Forum-Leser,

    ich bin in den letzten Wochen ernsthaft am Überlegen, mich implantieren zu lassen, und suche nach CI-Trägern, die eine ähnliche Hörvorgeschichte wie meine haben und bereit sind, ihre Erfahrungen zu hier zu posten.
    Ich bin 29 Jahre alt und von Geburt an beidseitig so gut wie taub (ungefähres Audiogramm 125 Hz: 80 dB, 250 Hz: 90 dB, 500 Hz: 100 dB, 1000Hz: 110dB, 2000 und 3000 Hz: 120 dB, ab 4000 Hz nicht mehr messbar), trage jedoch seit meinem ersten Lebensjahr Hörgeräte und habe dank der intensiven sprachlichen Erziehung durch meine Mutter eine relativ normale Sprachentwicklung. Deshalb konnte ich eine Regelschullaufbahn einschlagen, studieren und promoviere gerade.
    Seit ein paar Wochen beschäftige ich mich intensiv mit CIs und frage mich, ob und wieviel ich davon auch noch profitieren würde. Ich höre zwar aus meiner Sicht viel mit meinen Hörgeräten, aber eigentlich verstehe ich mit ihnen nichts (Phonak Naida V UP). Vielmehr verstehe ich Sprache nur durch Lippenlesen. Die Hörgeräte unterstützen das Lippenlesen ein wenig, tragen aber nur marginal zur Sprachverständlichkeit bei. Eigentlich komme ich in meinem Leben trotz der geringen Sprachverständlichkeit durch das Hören sehr gut zurecht, aber nur weil ich sehr gut Lippenlesen kann. Ich frage mich dann, wie viel mehr bringt mir ein CI nach meiner Vorgeschichte?
    Wenn ich mir CI-Erfahrungsberichte durchlese, finde ich nur sehr wenige Berichte, die eine ähnliche Situation wie meine schildern. Vielmehr hatten viele CI-Träger in ihrem Leben ein besseres Gehör als ich, konnten z.B. Telefonieren, Radio hören, etc., d.h. waren z.T. in der Lage, Sprache ohne Lippenlesen zu verstehen. Erst später, als das Gehör schlechter wurde, kam es zu einem CI, und ich habe den Eindruck, dass sie alle von ihrem CI sehr profitieren. Aber wie ist es mit CI Trägern, die ähnlich wie ich aufgewachsen sind und noch nie Sprache ohne Lippenlesen verstanden haben?
    Kennt Ihr Erfahrungsberichte über erwachsene CI-Träger, die von Geburt an nahezu taub waren, früh mit Hörgeräten versorgt wurden und sich erst im Erwachsenenalter implantieren ließen? Wie viel mehr an Lebensqualität haben sie gewonnen? Wie lange hat es gedauert, bis sich die ersten Hörerfolge eingestellt haben? Können sie Sprache ohne Lippenlesen verstehen? Radio hören? Telefonieren? Gruppengesprächen wie beim Kaffeeklatsch folgen?

    Ich bin nun gespannt auf Eure Antworten und wünsche mir viele spannende Beiträge.

    Liebe Grüße
    Stefan

  • Es gibt einige wie dich Stefan. Sie hängen es nur nicht an die große Glocke. ;)

    Ein CI macht auf jeden Fall Sinn und eine Verbesserung zu jetzt ist, meine persönliche Meinung, auf jeden Fall zu erwarten. Insbesondere wenn man deine Vorgeschichte liest. Handelt es sich bei deiner Förderung um die "Auditiv-Verbale Methode"?

    Allerdings benötigst du dann fähige Audiologen und Therapeuten.

    Auch darfst du dann keine überflieger Erfolge erwarten, welche dich quasi vom tauben Menschen zum hörenden Menschen katapultieren. ;)

    Also der Grundtenor wird stets lauten, eine Verbesserung ist zu erwarten, aber wieviel kann dir keiner sagen. Die Spanne kann zwischen "differenzierterer Geräuschwahrnehmung" bis "de facto freies Sprachverständnis" liegen, wobei die Wahrscheinlichkeit vom kleinsten Erfolg zum größten Erfolg hin mindestens exponentiell abnimmt bei dir.

    Insbesondere in Fällen wie deinen ist es höchst individuell, wie der tatsächliche Erfolg aussehen wird. Du wirst so, oder so ins kalte Wasser springen müssen. Denn es gibt etliche Fälle mit ähnlicher audiologischer Ausgangssituation wie deiner, aber extrem unterschiedlichen Resultaten nach der Implantation (siehe auch mein Hinweis oben).

  • Hallo AndyF,

    vielen Dank für Deine Antwort.

    Ja, es handelt sich um die Auditiv-Verbale-Erziehung. Bei mir wurde die Methode nach Frau Schmid-Giovannini angewendet.

    Von welchen persönlichen Faktoren hängt denn der Erfolg bei solchen Hörgeschädigten wie mich ab? Kann man einen Zusammenhang zwischen den Lebensumständen und dem Erfolg ablesen, also z.B. wenn man das Leben lang ausschließlich nur lautsprachlich kommuniziert mit Normalhörenden, dass dann die Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg höher ist?

    Es wäre schon schön, wenn ich bei einem CI mehr als nur Geräusche differenzieren könnte, da ich Geräusche mit Hörgeräten durchaus wahrnehme und auch zuordnen kann. Meine minimale Erwartungshaltung ist, dass ich in Ruhe Sprache besser verstehe. Im Lärm glaube ich an keine Verbesserung.
    Richtig schön fände ich, wenn ich Gruppengespräche in einem ruhigen Raum folgen könnte, da ich gerade in solchen Situationen sehr schnell ausgeschlossen bin.

    Ich bin nach wie vor auf weitere Postings gespannt, insbesondere von CI-Trägern mit einer ähnlichen Vorgeschichte wie meine. :)

    Schöne Grüße
    Stefan

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Stefan,

    ich gehöre nicht zu denjenigen, die eine ähnliche Hörbiographie haben wie du sie hast, aber ich kann in so fern etwas dazu sagen, da ich mindestens 4 Personen persönlich mit so einer Hörbiographie kenne.

    Die Hörerfolge sind bei diesen Personen sehr unterschiedlich, insgesamt profitieren alle vom CI. Von diesen 4 Personen kann eine sehr gut telefonieren mit dem CI, auch Gespräche in kleineren Gruppen ist möglich.
    Eine Person hat kein offenes Sprachverstehen, ist weiterhin auf Lippenabsehen angewiesen, kann aber sehr eingeschränkt mit den Eltern telefonieren.
    Die anderen beiden Personen befinden sich "in der Mitte".

    Gruppengespräche werden immer problematisch sein, auch, wenn du ein gutes Verstehen in Ruhe mit dem CI erreichst.
    Allerdings sollte man die Erwartungen nicht zu hoch setzen. Manchmal dauert es sehr lange, bis man mit dem CI verstehen kann, bei anderen geht es sehr schnell. Warum und wieso das so ist... das kann keiner sagen.

    Grüße,
    Miriam

  • Zitat

    ...also z.B. wenn man das Leben lang ausschließlich nur lautsprachlich kommuniziert mit Normalhörenden, dass dann die Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg höher ist?

    Ja, aber mehr auch nicht.

    Zitat

    Es wäre schon schön, wenn ich bei einem CI mehr als nur Geräusche differenzieren könnte, da ich Geräusche mit Hörgeräten durchaus wahrnehme und auch zuordnen kann. Meine minimale Erwartungshaltung ist, dass ich in Ruhe Sprache besser verstehe. Im Lärm glaube ich an keine Verbesserung.
    Richtig schön fände ich, wenn ich Gruppengespräche in einem ruhigen Raum folgen könnte, da ich gerade in solchen Situationen sehr schnell ausgeschlossen bin.

    Liegt im Bereich des möglichen, aber ob du dieses Niveau erreichst kann dir niemand sagen. Niemand wird dir Garantien geben.

    Zitat

    ch bin nach wie vor auf weitere Postings gespannt, insbesondere von CI-Trägern mit einer ähnlichen Vorgeschichte wie meine. Smile

    Ist schon längst der Fall. ;)

    Ach ja, übringens:

    Zitat

    (ungefähres Audiogramm 125 Hz: 80 dB, 250 Hz: 90 dB, 500 Hz: 100 dB, 1000Hz: 110dB, 2000 und 3000 Hz: 120 dB, ab 4000 Hz nicht mehr messbar)

    Wenn auch du was rausholen kannst. Das ist nix, um es mal offen und ehrlich zu sagen. Dein Gehör ist quasi nicht exsistent. Ob du dieses Gehör nun verlierst, oder nicht ist völlig egal. Denn mit CI wirst du allermindestens auf dein jetziges Niveau kommen. D.h. du wirst überhaupt nichts verlieren. Du kannst nur ausschließlich gewinnen. Bedenke dies bei deiner Suche auf Garantien und Wahrscheinlichkeiten für Erfolg. ;)

  • Ich werde Ende August eine CI-Voruntersuchung machen und ich hoffe, dass ich mich danach entscheiden kann. Bis dahin möchte ich im Vorfeld weiterhin Erfahrungsberichte von anderen CI Trägern lesen und lasse meine Entscheidung für oder gegen ein CI offen.
    Kann man anhand der CI Voruntersuchung - insbesondere durch den Promotoriumtest, vor dem ich ein wenig Schiss habe - besser abschätzen, wie groß die Chancen auf eine erfolgreiche Versorgung sind? Ich denke, dass der Hörnverv vorhanden ist und die Cochlea nicht verknöchert ist, da ich ja mit Hörgeräten in der Lage bin, was zu hören.

    • Offizieller Beitrag
    Zitat von "Stefan80"


    Kann man anhand der CI Voruntersuchung - insbesondere durch den Promotoriumtest, vor dem ich ein wenig Schiss habe - besser abschätzen, wie groß die Chancen auf eine erfolgreiche Versorgung sind? Ich denke, dass der Hörnverv vorhanden ist und die Cochlea nicht verknöchert ist, da ich ja mit Hörgeräten in der Lage bin, was zu hören.

    Hallo Stefan,

    nein, durch den Promotoriumstest wird nur die Aussage getroffen, ob der Hörnerv o.k. ist, nicht aber, wie gut man mit dem CI klarkommen wird bzw. ob und wann man ein freies Sprachverstehen erreicht.
    Etliche Kliniken machen heute keinen Promotoriumstest mehr, wenn der Patient noch Restgehör hat. So habe ich z.B. nie einen machen müssen.

    Grüße,
    Miriam

  • Falls der Promotoriumtest dieser Nadeltest ist (ich bringe die Begriffe immer wieder durcheinander), dann musst Du davor keine Angst haben. Der war unangenehm, aber nicht schmerzhaft, da das Trommelfell örtlich betäubt wird. Meine größte Sorge war, dass ich in den 10 Minuten, in denen ich auf keinen Fall den Kopf bewegen durfte, nicht still liegenbleiben kann, aber auch das habe ich am Ende geschafft. :D Schmerzhafte Folgen gab es auch keine, nur etwas stärkerer Wind war unangenehm und eine Weile sollte kein Wasser direkt ins Ohr kommen.

    Zum Rest kann ich noch nicht so viel sagen. Ich wurde erst letzte Woche operiert und habe das ganz große Abenteuer noch vor mir. Auf die Erstanapassung bin ich schon unglaublich gespannt. Meine Hörgeschichte ist zwar nicht ganz mit Deiner vergleichbar, da ich in einigen Situationen auch ohne Lippenablesen zurechtkomme (ohne Hörgerät), aber die meisten Töne habe ich noch nie vernommen (ab ca. 1500 Hz geht bei mir gar nichts mehr), es wartet also ein komplett neues Leben auf mich.

  • Ja, die OP habe ich wunderbar überstanden, ich hatte mir das alles ein bisschen schlimmer vorgestellt, zumal das meine erste Operation überhaupt war.

    Vielen Dank fürs Daumendrücken! Ich würde ja am liebsten schon morgen mit der Erstanpassung loslegen, aber das bisschen Geduld muss ich jetzt wohl noch aufbringen.

    Kennst Du übrigens Michaels Ohrenseite? Dort findest Du einige Erfahrungsberichte, vielleicht sind auch welche von Leuten dabei, die eine ähnliche Hörbiographie wie Du haben: http://www.ohrenseite.de/erfahrungsberichte.html

  • Die Hörwerte wie bei dir habe ich auch ähnlich, trage auch seit 1. Lebensjahr Hörgeräte, aber bei mir ist die Sprachentwicklung etwas gestört (verwachsene Buchstaben)

    Ich hatte Kontakt zu einer Klink in Freiburg kontaktiert und ich hoffe auf eine CI-Voruntersuchung.

    Ich bin aber 22 Jahre alt und lebe alleine.

  • Hallo FlameHaze,

    ich drücke Dir für die Voruntersuchung die Daumen. Mir steht sie auch noch bevor und werde - wie gesagt - danach meine endgültige Entscheidung treffen.
    Ich habe Deine älteren Foreneinträge gelesen und festgestellt, dass Du früher besser gehört hast als ich in meinem ganzen Leben und sogar ohne Lippenlesen Sprache verstehen konntest. Daher denke ich, dass bei Dir die Wahrscheinlichkeit recht hoch ist, dass Du von einem CI profitieren wirst.

    Deine letzte Aussage, dass Du aber 22 Jahre alt bist und alleine lebst, hat mich etwas stutzig gemacht, da ich nicht sicher abschätzen kann, was Du mit dieser hier in diesem Forum sagen möchtest. Hast Du Befürchtungen, dass Dein Alter und Dein "Alleinleben" gegen ein CI sprechen?

  • Hallo FlameHaze,

    ich denke, dass Deine Eltern einfach Angst vor diesem Schritt hatten, und glaube, dass bei Operationen allgemein oft die Angehörigen einfach mehr Angst als der Patient selber haben (stelle ich gerade bei mir auch fest). Heute kannst Du das zwar selber für Dich entscheiden, allerdings geht aus den Erfahrungsberichten von anderen immer wieder hervor, dass der CI-Träger vor allem in der ersten Zeit sehr auf die Unterstützung von der Familie und von den Freunden angewiesen ist. Zur Zeit binde ich nicht nur meinen Partner, sondern auch meine engsten Freunde in meine Entscheidung ein und kann mich auf ihre Unterstützung verlassen, egal wie ich mich entscheide und egal wie das Gehör nach der der Erstanpassung ist. Ich hoffe, dass Du bei Deiner CI-Geschichte nicht alleine bist, sondern Dich auf die Unterstützung von anderen verlassen kannst.

    Schöne Grüße
    Stefan