Liebe Nikita und alle Leser,
mittlerweile gehe ich mit der Aussage, die Erwartungshaltung an das CI möglichst gering zu halten, kritischer um. Keiner von uns würde sich implantieren lassen, wenn er keine Verbesserung erwarten würde. Klar das Hören mit dem CI entspricht keinem normalem Hören, sondern schon alleine wegen der technischen Verarbeitung nur begrenzt sein. Wir alle wissen, dass der Erfolg mit dem CI von verschiedenen Faktoren abhängig ist:
1. die Lage des CIs
2. Zustand d. Cochlea (liegt eine Verknöcherung vor ? Eine anatomische anormale Anlage etc.)
3. letztendlich die Fähigkeit vom Sprach- und Hörzentrum, die fehlenden Informationen zu kompensieren.
4. die Zuversicht, dass das Hören mit dem CI erlernbar ist.
Wenn ich mich in die Gefühlswelt eines Nichtimplantierten hineinversetzen möchte, dann empfinde ich mittlerweile die Aussage, dass die eigene Erwartungshaltung möglichst niedrig anzusetzen ist, eine Bevormundung. Wir können die Gefühlswelt des noch nicht Implantierten nur ansatzweise erahnen. Auch wir gehen immer von den eigenen Erfahrungen von unserer Hörreise aus, und versuchen diese dann zu übertragen. Das kann nicht sein, denn das Hören ist etwas Individuelles, und nicht Vorhersagbares. Manchmal habe ich das Gefühl, dass der Satz, die eigene Erwartungshaltung niedrig anzusetzen, eher ein Stolperstein sein kann. Wir haben diesen Satz so oft gelesen, dass wir ihn so ungeprüft übernehmen. Wenn die Hörreise schwierig ist, dann können wir doch nicht die Erwartungshaltung als hauptsächlichen Grund nennen. Jemand der wirklich frustriert ist, für den ist der Satz mit der Erwartungshaltung keine Hilfestellung, sondern ein zusätzlicher Knüppel in seiner schon sowieso angespannten Situation. Auch ich habe in vergangenen Postings immer wieder auf die Notwendigkeit der niedrigen Erwartungshaltung hingewiesen. Erst als ich die Kommentare bei AnniB gelesen habe, bin ich in mich gegangen, und habe versucht mir vorzustellen, was dieser Satz bei mir auslösen würde. Ich finde, wir sollten es anders formulieren. Das Hören mit dem CI bedarf einen unterschiedlich langen Lernprozess, der stellenweise recht beschwerlich sein kann, da das Hören von neu gelernt werden muss und sich von dem normalen Hören unterscheidet. Mit Geduld und auch Zuversicht sich auf die veränderte Situation einlassen zu können ist eine große Hilfestellung in dem Lernprozess über Monate, ja auch oft Jahren.
Darum wenn man von Anfang an zu viel erwartet und möchte, dass man weder die Narbe, noch den SP noch sonst was sieht, ist man im falschen Boot,
Entschuldigung Nikita, das ist für mich anmaßend. Du kannst doch nicht sagen, dass jemand, der sich über die Narbe oder der Farbe vom Sprachprozessor Gedanken macht, im falschen Boot sitzt. AnniB und der eine oder andere noch nicht Implantierte machen sich nun mal Gedanken darüber, das ist für mich vollkommen legitim und ein Prozeß, der zur individuellen Hörreise dazugehört. Es kann sein, dass die Hörreise beschwerlicher wird und auch Umwege einschlägt. Aber man sitzt doch deswegen nicht im falschen Boot. Du hast Deinen Weg für Dich gefunden, Deine Hörbehinderung anzunehmen. Und ich freue mich für Dich, dass Du es geschafft hast. Aber es ist nicht der Weg von Anderen. Jeder muss seinen Weg finden, die Hörbehinderung annehmen zu können, das dauert. Was man theoretisch weiß, muss nicht unbedingt auch praktisch in der aktuellen Lage umsetzbar sein.
Was will ich damit sagen. Ich finde, wir sollen offenen Ohren für die Sorgen und Bedenken der Nichtimplantierten haben und sie auf ihrer Hörreise positiv unterstützen. Die Erfahrungen müssen von jedem selbst gemacht werden, um die richtigen Rückschlüsse bilden zu können. Um es zu verdeutlichen, was ich meine: Kinder gewähren wir auch das Recht Erfahrungen und die daraus entstehenden Fehler selbst zu sammeln und sie dann zu revidieren, zu korrigieren. Nur selbst erlebte Erfahrungen und Fehler bringen das Kind weiter. Die Erfahrungen von anderen können eine Hilfestellung sein. Aber den Weg muss jeder für sich gehen!
Lieber Gruß
Karin