... und komm jetzt wahrscheinlich öfter
Obwohl ich schon lange mit meinem Gehör zu kämpfen habe, bin ich wohl eine lange Zeit mit Scheuklappen unterwegs gewesen und sehe erst im Nachhinein vieles klarer.
Da ich bereits auf dem Gymnasium war als die Hörschädigung bei mir eingesetzt hat, habe ich mich lange Jahre durch die Regelschule gequält ohne ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, was eigentlich wirklich bei mir Sache ist und mir die richtige Hilfe zu holen. Zum HNO ging es für mich nur, weil meine Mutter sich über meine Lautstärkeeinstellung am TV nicht mehr freuen konnte und es sie gewundert/genervt hat, dass ich angefangen habe immer öfter nachzufragen. Sie war es auch, die dafür gesorgt hat, dass weitere Untersuchungen gemacht wurden, als sich meine Nachfragen gesteigert haben.
Alle Untersuchungen blieben ohne Befund also wurde ich mit Hörgeräten versorgt. Weiter mit dem Thema beschäftigt habe ich mich nicht. Als Teenie wollte ich wohl auch einfach so normal wie nur möglich sein, denke ich. Erst als die Agentur für Arbeit mich zur Eignungsabklärung in ein Berufsbildungswerk geschickt hat, nachdem ich wegen meiner Hörschädigung eine Ausbildung auf dem normalen Arbeitsmarkt nicht machen konnte (als 1er Schülerin während der Probezeit entlassen, im Anschluss "nur als Gratis-Praktikantin für einen Betrieb tragbar"), wurde mir selbst bewusst, dass der Satz "Ich höre nicht so gut" meine Situation nicht richtig trifft.
Während der Eignungsabklärung und auch während meiner anschließenden Ausbildung im BBW, weil mich der Arbeitsmarkt immer noch nicht haben wollte, habe ich durch meinen Betreuer in der Hörgeschädigten-Arbeit dort erst gelernt, meine Hörschädigung als solche zu benennen und auch für mich selbst einzutreten. Er hat mir bewusst gemacht, wie viel Anstrengung ich immer auf mich nehmen musste um zu kommunizieren und dass ich Hilfsmittel und Hilfestellung von anderen einfordern sollte, um mir mein Leben zu erleichtern. Mit seiner Hilfe habe ich mir ohne Anwalt eine HG-Versorgung erklagt, die über den Festbetrag hinausging, damit ich auf dem Arbeitsmarkt vermittelbar werde. Vom Antrag auf HG-Versorgung bis zu dem Tag, an dem ich sie erhielt sind 3,5 Jahre vergangen, in denen ich viel über mich selbst gelernt habe.
Vom ersten Hörverlust bis zu dem Punkt, an dem ich bereit war, meine Nachteile durch die Hörschädigung auch wenigstens teilweise durch einen SBA ausgleichen zu lassen, sind bei mir 12 Jahre vergangen. Das war ein Schritt, der mir sehr schwer gefallen ist, obwohl es doch eigentlich eine vernünftige Sache ist und sich "lohnt". Und es hat sich wirklich gelohnt, denn mit der Aussicht darauf, dass ich bald einen SBA vorlegen könnte, habe ich im Anschluss an meine Ausbildung auch direkt Arbeit gefunden. So einfach kann es dann auf einmal sein.
Inzwischen bin ich 31 Jahre geworden, bin der Liebe wegen nach Niedersachsen gezogen, habe hier geheiratet, meine zweite Arbeitsstelle angetreten und bin mit Familie und Kollegen gesegnet, die sich wirklich Mühe geben, mich einzubeziehen, auch wenn es manchmal schwierig ist. Und dieses Umfeld kann ich jetzt auch ziemlich gut gebrauchen, weil ich selbst in den letzten Jahren gemerkt habe, wie sehr mein Gehör abbaut und wie viel mehr ich bei manchen Menschen nachfragen muss. Deshalb habe ich dann auch gerne den Rat meines neuen HNOs angenommen, mich in die MHH zu begeben und habe im April 2015 die Voruntersuchungen begonnen. Dabei ist u. a. rausgekommen, dass meine aktuellen HG mir nicht mehr wirklich helfen können, weshalb ich diese auch nicht mehr trage. Der Hörnerv spricht ohne laut Neurologen besser an.
Verwirrend wurde es für mich noch einmal, als die MHH am Ende nur die OP für das rechte Ohr empfohlen hat. Wenn doch beide Ohren mies sind, sollte man doch einfach beide auf einmal machen, so dachte ich. Das linke Ohr hört wohl aber noch einen Hauch zu viel und muss erst noch in Ruhe weiter abbauen, damit es schlecht genug für eine Kostenzusage der KK wird.
Jetzt bin ich frisch operiert, weiß nur noch vom Spiegel, dass das rechte Ohr noch dran ist und bin doch ganz froh, dass ich auf das schlechte, aber noch funktionierende linke Ohr zurückgreifen kann die intensive Auseinandersetzung mit Erfahrungsberichten und mehr zum Thema CI habe ich vor dem Eingriff noch nicht wirklich gewagt, weil ich wohl befürchtet habe, dass ich mich dann nicht mehr in den OP traue, aber seit der OP letzten Dienstag stöbere ich mich durchs Internet und bekomme kaum genug von dem Thema.
Es hat mir so gut getan, von anderen zu lesen, denen es ähnlich gegangen ist und auch zu lesen, wie positiv es mit dem CI weitergehen kann. Der Austausch hier gibt einfach eine Form des Verständnisses her, die man so nicht bekommen kann, wenn man so gut wie ausschlíeßlich mit NH zu tun hat, glaube ich. Deshalb bin ich mir inzwischen ziemlich sicher, dass ich bei eventuellen Notfällen sehr froh und dankbar sein werde, wenn ich hier um Hilfe schreien kann und darf. Aber ich denke auch, dass mir der Austausch hier generell gut tun könnte und auf jeden Fall wollte ich vermeiden, dass man sich in ein paar Jahren meine Beiträge anschauen kann und es steht nur im Wechsel da: "Hilfe" "Danke" "Hilfe" "Danke", von daher stelle ich hier schon mal ein (ungeplant sehr ausführlich gewordenes) "Hallo" vorne dran
Wer mehr wissen will, kann gerne fragen und ansonsten danke ich jedem, der sich meinen Roman komplett durchgelesen hat
Liebe Grüße
Sunny