Schlechte Rechtschreibung durch Gehörlosigkeit

  • Wer kann mich denn jetzt mal aufklären?

    Ich habe eben etwas gelesen von jemanden, der gehörlos ist. Bei der Rechtschreibung taten mir ehrlich gesagt, die Augen weh. Dieses ist mir jetzt öfter aufgefallen. Als ich dann angefragt habe, warum die Sätze so kurz sind, oder warum es quasi so radebrechend geschrieben ist, bekam ich die Antwort: Ne ich bin so schlecht schreiben für gehörlose

    Ist das wirklich der Grund oder sind es einfach nur Flüchtigkeitsfehler?

    EAS Patient der ersten Generation seit April 1999 rechts, links seit Februar 2006.
    Cholesteatomentfernung und Re- Insertion der Cochlea-Implant-Elektrode links Juli 2010

    • Offizieller Beitrag

    Hallo,

    das große Problem ist es, dass viele Gehörlose in der DGS-Grammatik schreiben, Wortkonjunktionen kaum kennen, verschiedene Zeiten nicht beherrschen und das Schriftbild der deutschen Lautsprache nicht beherrschen.
    Woran dieses liegt das ist fraglich. Nach z.B. Karin Kestner liegt es daran, dass in den heutigen GL-Schulen viel zu wenig gebärdet wird und viel zu viel Wert auf korrekte Aussprache eines Wortes gelegt wird.
    Nach anderen, primär älteren Gehörlosen, die ich kenne, liegt es daran, dass halt wenig Wert auf lautsprachlich verschriftliches Deutsch gelegt wird.

    Grüße,
    Miriam

  • Ich glaube nicht an Flüchtigkeitsfehler.....
    für Gehörlose, die ja mit der DGS als Muttersprache aufwachsen, ist die deutsche Laut- bzw. Schriftsprache ja eine Fremdsprache wie für uns Englisch oder (um es dem Deutschen etwas ähnlicher zu machen) Niederländisch.

    Ich schätze mal, es ist wie halt bei Fremdsprachen üblich.....der eine hat mehr Talent dafür, der andere weniger.

    Es gibt auf Erden keinen Kummer, den der Himmel nicht heilen könnte. (William Paul Young, "Die Hütte") In memoriam Robert Enke

  • Das Problem hat mehrere verschiedene Ursachen.
    Die DGS ist nicht schuld am mangelhaften Schriftdeutsch.
    Fast ausnahmslos sind die betroffenen Gl seit Geburt oder sehr früher
    Kindheit taub und hatten in den so wichtigen ersten Lebensjahren
    Praktisch keine Kommunikation bis man endlich entdeckt hat, das
    sie taub sind.

    An den Gl-Schulen wurde höchste Priorität auf sprechen lernen gelegt.
    Viel Wert wurde auch auf manuelle Fertigkeiten gelegt.
    (Vermutlich dachten die PädagogenInnen : Gl werden sowieso
    Handwerker oder Facharbeiter, Rechtschreibung ist da nicht wichtig.
    Hauptsache, sie können sprechen und Lippenlesen.)

    Nach meiner Beobachtung verstehen die meisten Gl einen Text gut.
    Man darf nicht von mangelhafter Schreibe auf mangelhaftes
    Verstehen schliessen!
    Darum halte ich nicht viel davon, das Texte im Internet für Gl
    mit DGS-Videos versehen werden.
    Aber das ist ein Thema für sich, gehört nicht in ein CI-Forum.

    Es gibt einige taubgeborene Gl, die trotzdem eine gute Schriftsprache
    gelernt haben.
    Es liegt wohl an der persönlichen Begabung, ob ein Mensch zum
    Dichter geboren wird oder ewig auf Kriegsfuss mit der Schreibe steht.
    Auch bei den Hörenden gibt es viele, die nicht besser schreiben als
    durchschnittliche Gl!
    Die fallen nur nicht auf, weil sie nicht in Foren schreiben und auch sonst
    im Leben nie schreiben müssen, sie kommen überall mit
    sprechen und hören durch (können oft nur ihren heimatlichen Dialekt
    und sind noch stolz kein hochdeutsch zu verstehen).

  • @ CharlyBrown
    Wie meinst Du das ...sind noch stolz kein hochdeutsch zu verstehen?

    Gruß Sigrid

    EAS Patient der ersten Generation seit April 1999 rechts, links seit Februar 2006.
    Cholesteatomentfernung und Re- Insertion der Cochlea-Implant-Elektrode links Juli 2010

  • Hallo,

    auch mir ist das vor Jahren schon aufgefallen, dass die meisten Gehörlosen tatsächlich eine ganz miese Rechtschreibung haben. Bis heute habe ich mich eigentlich nicht darum gekümmert, weil ich noch immer davon ausgehe:1. was sie selber nicht verstehen können sie bekanntlich auch nicht wiedergeben, egal ob in Schrift oder sprachlich
    2. auch in den heutigen GL-Schulen die Deutsche Rechtschreibung und Grammatik ganz anders gehandhabt wird als an Regel- oder Schwerhörigenschulen
    GL haben ihre eigenen Sprache, ihre eigene Schreibweise. Eine Bekannte von mir, sie ist aber komischerweise nicht Gehörlos sondern Hochgradig Schwerhörig benutzt seid Jahren die Gebärdensprache als ihr Hauptsprache.Sie ging damals mit mir zusammen auf die Schwerhörigenschule in Halberstadt (war dort nur 3 Wochen, bin dann wegen Unzufriedenheit mit dem dortigen Unterrichtsmethoden wieder zurück in meine alte Regelschule). Sie hat eigentlich 2 Hörgeräte. Da sie diese aber nicht oder kaum benutzt hört und versteht sie kaum was. Kann aber komischerweise ohne HG telefonieren!!!??? Nur wenn ich sie am Telefon höre muß ich mir den Text den sie mir durchs Telefon gibt immer wieder selber vervollständigen, weil einfach zu viel fehlt. Auch wenn sie uns Briefe schreibt, frage ich mich immer ob ich den Brief von einen Erstklässler bekommen habe.
    Das gleiche auch bei meinen Schwiegereltern (70 & 75J.), die aber wirklich Gehörlos sind. Sie haben in ihrer damaligen Schulzeit kaum die Schule besucht wegen dem Krieg und was weiss ich noch. Da kann ich das ganze also verstehen.
    Die Gehörlosen sind eine eigene Welt, eine eigene Gruppe, da kann man wirklich nichts gegen machen. Solange sie untereinander gut damit klarkommen, sollten wir sie lassen. Nun sind sie leider trotz allem in vielen Dingen benachteiligt. Ich denke da mal an die Jugendlichen, die ja irgendwann mal in Lohn und Brot stehen. Wegen schlechter Deutschkenntnisse haben sie auf dem Arbeitsmarkt schlechte Karten.
    Ich kenne aber auch ein paar GL die super Deutschkenntnisse haben. Da kann sich mancher Normalhörende sogar eine Scheibe von abschneiden. Diese sind meistens aber nicht von Geburt an taub sondern Spätertaubt.

  • Moin, bevor ich mich jetzt gleich wieder in die Nesseln setze:

    In meiner Schule gabs keine Gebärdensprache.

    Sämtliche Schüler meiner und der Parallelklasse haben auch heute noch ein einwandfreies Deutsch trotz Gehörlosigkeit und kommen mit normal Hörenden ohne Dolmetscher klar.

    Dies ist eine Aussage, die ich beweisen kann, wer möchte, den nehme ich zu unserem in der Zukunft liegenden, aber geplanten Klassentreffen gerne mit. Nebenbei erwähnt sind die meisten beruflich sehr erfolgreich und arbeiten zum Teil an wissenschaftlichen Instituten / Behörden / sind freischaffende Künstler.

    Nur wird ein mit DGS erzogener Gehörloser da nix mitbekommen, obwohl andere auch Gehörlos sind.

    • Offizieller Beitrag

    Es gibt ja nicht nur Gehörlose die eine schlechte Rechtschreibung haben. Ich selber mit schwerhörig und hab auch eine schlechte Rechtschreibung weil ich ein leichte Lese-Rechtschreibschwäche habe.
    Ich denke die deutsche Rechtschreibung ist auch nicht so einfach und so.

    Gruß Franzi

  • Zitat von "Th.Henss"

    In meiner Schule gabs keine Gebärdensprache.

    Ja, Thomas, so war's. Ich kenn ja deine LehrerInnen! :lol: Aber trotzdem gab es die Gebärdensprache in deiner Schule! Nämlich heimlich z.B. auf dem Schulhof! 8)
    Ich geb dir sonst aber völlig recht, da ich sehr lange mit einem (fast) Schulkameraden von dir verheiratet war, der als Gehörloser auf deiner Schule auch beste Sprachkompetenz erworben hat (Klassenlehrer war dein Schulleiter!).
    Demnächst wird mein Exmann auch C.I.-Kandidat, wenns klappt. Und dann hoffentlich meldet er sich hier an und diskutiert mit. Ich habe selten einen Mann kennen gelernt, der soviel Wissen hat und das auch sprachlich ausdrücken kann. Hut ab! :D

    So, ich muss in die Küche. Die Gudrun aus Bayern kommt zu Besuch!! Auch eine gehörlos geborene Frau mit sehr guter Sprachkompetenz!

    Beste Grüße von Birgit :D

    Was ich will, das schaff ich auch!
    OP re: 3.9.08 in Kiel (AB/Harmony)
    EA: 27.-31.10.08 in Kiel

  • Hallo Franzi

    Du hast recht, wenn Du schreibst, auch Menschen ohne Hörprobleme haben eine schlechte Rechtschreibung.

    Ich selber habe die alte Rechtschreibung gelernt. Da wurde uns vom Lehrer gewisse Regeln beigebracht, um z.B. das Trennen der Wörter leichter zu machen. Oder wann ein S, SS, ß angebracht war.
    Wir haben auch viele Diktate geschrieben, in denen immer wieder diese Tücken vorkamen.

    Als die neue Rechtschreibung aufkam, habe ich mich auch erst schwer getan. Aber ich habe viel gelesen und mich inzwischen daran gewöhnt.

    Gruß Sigrid

    EAS Patient der ersten Generation seit April 1999 rechts, links seit Februar 2006.
    Cholesteatomentfernung und Re- Insertion der Cochlea-Implant-Elektrode links Juli 2010

  • Die neue Rechtschreibung benutze ich demonstrativ nicht.
    Wozu auch ?
    Nur weil die Schüler die alte nicht konnten, ist das auf einmal falsch ?

    Es gibt auf Erden keinen Kummer, den der Himmel nicht heilen könnte. (William Paul Young, "Die Hütte") In memoriam Robert Enke

    • Offizieller Beitrag

    Hallo,

    unabhängig von der alten oder deutschen Rechtschreibreform oder nicht, sollte jeder deutsche Schüler es schaffen, einen gescheiten Satz mit Subjekt, Prädikat und Objekt aus Blatt zu bekommen. Dabei ist die genaue Rechtschreibung der Wörter erst mal zweitrangig. Wichtig dabei ist auch, dass man das Verb konjugieren kann.
    Leider schaffen das viele Gehörlose nicht!
    Ich selbst bin keine große Leuchte, was Fremdsprachen betrifft. Aber einfache Sätze in Englisch bekomme ich hin, so dass es ein jeder Engländer / Amerikaner verstehen kann, was ich mitteilen möchte.
    Nach meiner Erfahrung klappt dieses bei vielen Gehörlosen nicht. Fremdsprache Deutsch oder nicht, nach etlichen Jahren Deutsch in der Schule sollte ein jeder Schulabgänger einen einfachen Satz verständlich aufs Papier bringen können.
    Das erwarte ich auch von meinem Sohn, der unter der massivsten Form der Lese-Rechtschreibschwäche leidet. Er bekommt keinerlei Nachteilsausgleiche, sondern wird wie jeder normale Schüler behandelt. Wenn ich soetwas von meinem Sohn erwarten kann, dann auch von jedem Gehörlosen. Sämtliche Bücher in Deutsch sind in der deutschen Lautsprache, nicht in der deutschen Gebärdengrammatik geschrieben, so dass jedes Kind, wenn es denn des Lesens mächtig ist, sehr früh die Grammatik der deutschen Lautsprache kennen lernt. Bereits nach der ersten Grundschulklasse können die Kinder einfache Texte lesen.
    Auf die Situation von gehörlosen Kindern übertragen bedeutet dieses für mich, dass diese die Fremdsprache Deutsch mit dem 7. Lebensjahr erarbeiten können. Wenn diese Leute es nicht schaffen, trotz 10 ganzer Schuljahre, eine Fremdsprache noch nicht mal im Ansatz zu können, dann stimmt doch etwas nicht!

    Heute fängt man in der 3. Grundschulklasse mit Englisch an. Die Kinder werden komplett in Englisch unterrichtet, während den Stunden wird kein Wort Deutsch gesprochen. Dennoch lernen die Kinder so die erste Fremdsprache. Wenn ich mir vorstelle, dass im Deutschunterricht an der Schule nur gebärdet wird (wie es etliche Gehörlose und andere Personen fordern), dann stimmt das gesamte Konzept doch nicht! Dann wundert es mich auch nicht, dass Gehörlose nach der 10. Klasse keinen deutschen Satz aufs Papier bringen können....

    Man betrachte das Beispiel an der Beschulung von Xenia in eine normale Grundschulklasse unter ständiger Hinzuziehung eines Dolmetschers.
    Xenia bekommt einen Aufsatz zurück, die Eltern beschweren sich, dass die Lehrerin den "falschen" Satzbau als Fehler gewertet hat und sind der Meinung, dass es alleine daran liegt, dass die Lehrerin zu wenig von der DGS und der Gehörlosigkeit weiß.
    Sorry, aber solche Ansichten sind grundverkehrt. Viele ausländische Kinder durchlaufen die deutsche Regelschulen und für diese gelten die gleichen Anforderungen wie für die deutschen Schüler. Es interessiert keinen Lehrer, wie die Grammatik in deren Muttersprache ist. Schreibt das Kind einen grammatikalisch falschen Satz, dann wird dieser angestrichen, wie bei jedem anderen Schüler auch.
    Die Unterrichtssprache ist deutsch, egal, ob das Kind deutsch als Muttersprache hat oder nicht. Auch von diesen Kindern wird verlangt, dass sie das gleiche können, wie ihre Mitschüler und werden genau so benotet. Und viele dieser Kinder können bereits nach 1-2 Schuljahren gescheite deutsche Sätze schreiben, auch wenn sie in die Schule gekommen sind und dort das erste Mal deutsch gehört haben!!!!!

    Grüße,
    Miriam

  • Mir fällt immer wieder auf, fast alle Forenteilnehmer, hier und auch im Gl-Cafe,
    betrachten ein Thema immer nur von ihrem persönlichen Standpunkt.
    Kaum einer versucht die Situation anderer zu verstehen.
    Da sind zum Beispiel Gehörlose, die mit Hörgerät noch etwas hören können,
    manche können sogar mit Angehörigen telefonieren.
    Die wollen oder können nicht kapieren, das taube Menschen ein CI brauchen.
    Oder Gl, die zwischen dem zweiten bis fünften Lebensjahr ertaubt sind,
    schon Sprache gehört und gesprochen haben.
    Die hatten sehr viel bessere Startbedingungen in den lautsprachlich
    orientierten Gl-Schulen und schauen später stolz herab auf ihre stocktaub
    geborenen Mitschüler, die sich furchtbar schwer getan haben, sprechen zu lernen.

    Gl-Schulen, an denen nur gebärdet wird gibt es nicht.
    Das fordern nicht mal die Hardcore-Deafy.
    Es geht nur darum, das Gebärdensprache für jene tauben Kinder verwendet wird,
    bei denen Hörgeräte oder CI kein Sprachverstehen bringen.
    (Bitte nicht das Märchen vom perfekte Lippenlesen hervorholen)

    Ich stimme Muggel zu bei der Aussage :es stimmt etwas nicht an manchen Gl-Schulen.
    Es gibt offensichtlich grosse Qualitätsunterschiede bei den Gl-Schulen.
    Oder liegt es daran, das die für Lautspracherziehung begabten Kinder in Klassen
    zusammengefasst werden und die Unbegabten werden in anderen Klassen mehr oder
    weniger vernachlässigt?
    Der Vergleich mit ausländischen Kindern, die deutsch lernen ist unpassend.
    Der wesentliche Unterschied ist: taube Kinder hören nicht was gesprochen wird.
    Taube Kinder müssen nicht nur eine Fremdsprache lernen, sondern zusätzlich
    in einer ihnen total fremden Form.

    Der Hinweis auf Kinder mit Schreibleseschwäche bringt mich auf zwei
    Gedanken:
    1.Man hat solche Kinder für hörbehindert gehalten und in die Gl-Schulen gesteckt!?
    Es ist jedenfalls merkwürdig, das manche Gl, die keinen Satz richtig schreiben,
    telefonieren können..
    (Colagirl hat das auch beobachtet)
    2.Es gibt unter den Gl auch Menschen mit Schreibleseschwäche!
    Zusammen mit der Hörbehinderung ist schon eine geringe Form der
    Schreibleseschwäche verheerend!
    Das wird bei Gl gar nicht erkannt! Man schiebt das Problem einfach auf
    die Gehörlosigkeit?!

    Noch was als Abschluss:
    Manche Schreibe von schlechtschreibenden Gl hat sachlich guten Inhalt.
    Manche fehlerlos geschriebene Schreibe von hochgebildeten Hörenden
    ist inhaltleeres blabla.

  • CharlyBrown, sehr lesenswerte Beiträge von Dir hier im Forum, muß ich sagen.

    Ich kann die Lese- und Schreibfähigkeiten von Gehörlosen (und da muß man ja fein differenzieren, wie CharlyBrown es treffend darstellt) nicht wirklich beurteilen. Die einzige Grundlage wäre für mich das Aufsuchen von Gehörlosenforen, aber die müssen nicht repräsentativ sein. In Fußballforen z. B. sind auch oft furchtbar schlecht geschriebene Beiträge von Normalhörenden zu finden, wobei mein Eindruck ist, daß die Jüngeren deutlich mehr Lernschwächen haben als Ältere. Das ist sicher auch dem Computer- und Fernsehzeitalter geschuldet. Bei uns Hörgeschädigten findet man recht oft viel Lese- und Schreibkompetenz. Ich führe das darauf zurück, daß viele Eltern mit ihren hörgeschädigten Kindern Bücher gelesen haben. Diese Lesekultur ist auch heute noch in meiner Familie fest verankert. Meine Schwester gibt sie gerade an ihre normalhörenden Kinder weiter, die sie sicher später auch an ihre eigenen Kinder weitergeben werden.

    Bei total Gehörlosen ist es sicher um einiges schwieriger, weil da einfach eine ganz wichtige Komponente fehlt. Bei guten Lippenablesern vermute ich, daß vor allem die Kombination aus noch ein bißchen Hören plus eben das Lippenablesen den entscheidenden Unterschied ausmachen kann. Ich selbst konnte z. B. auch mit Hörgeräten deutlich meßbar meine Verstehensquote mit Lippenablesen steigern, aber ohne Hörhilfen, also nur mit reinem Lippenablesen fehlte mir eine ganz entscheidende Komponente, da geht dann bei mir nicht mehr viel (zumal meine Augen schlecht sind). Jetzt, wo ich mit den beiden CIs immer weniger auf das Mundbild achte, gehen meine Lippenablesefähigkeiten auch immer weiter den Bach runter. Der Vorteil liegt auf der Hand, ich kann nun wesentlich besser telefonieren. Da bin ich dann gegenüber normalsehenden CI-Trägern leicht im Vorteil. In lauten oder dunklen Bars dreht es sich dann wieder ins Gegenteil usw.

    *1964, re. seit 10/2006 u. li. seit 12/2007 CI (2x Harmony), OP-Klinik MHH
    OP-Folgen: Nackensteife, Tinni, später max. Armschmerzen (9-10 auf VAS-Skala) u. Daumen/-gelenk taub (alles li.), Störschallverstehen verschlechtert. Reimplantation li. 09/2011

  • Zumindest in den BBS Essen hatten wir einen Mitschüler, der normalhörend war und eine Schreib / Leseschwäche hatte.

    In HH war dies nicht der Fall. Dafür hatten wir in HH eine Menge Schüler, die von Geburt an ertaubt waren - und auch diese hatten ein recht gutes Deutsch sowie ein gutes Sprachverstehen.

    Es war einfach ein anderes Schulsystem, die Lehrer in HH sehr engagiert, aber auch sehr viel strenger und mehr an den einzelnen Schülern interessiert als heute, wie man so hört.

    Rütlischule etc. hätte es in den 60ern schlichtwegs nicht gegeben - auch war der Lehrer eine Respektperson, die nicht geduzt wurde.

  • Irgendwie habe ich den Eindruck, dass man hier Geburtsgehörlosen unterstellt per se extreme Schwierigkeiten mit dem Schreiben und Lesen zu haben.

    Ich möchte dem widersprechen, dem ist es gar nicht so.

    Zum lesen und schreiben braucht man funktionierende Augen und einen zum schreiben befähigten Körper, aber keine funktionierenden Ohren.

    Eine jeglich geartete Lese-/Schreibschwäche, die durch Gehörlosigkeit begründet wird, ist eine sehr, sehr faule Ausrede und dies von allen Beteiligten!

  • Hallo,

    ich seh es ähnlich wie CharlyBrown, dass in meisten GL-Schule nicht nur Gebärden verwendet wird => zumindest als die Gebärdensprache gar nicht als Sprache anerkannt wurde!

    Es gibt nicht nur GL die schlechtes Deutsch haben, sondern auch mittel-/hochgradig Schwerhörige.

    Ich selbst besuchte nur Hörgeschädigte Schulen indem nur Lautsprachliche Unterricht gab. Für die Lehrer war es wichtiger, dass die Schülern den Inhalt vom Text verstanden bzw. wiedergeben konnten! Ich selbst konnte vieles vom Text verstehen, aber Satzbau war damals sehr schlecht. Obendrein hatten wir kaum Aufsätze schreiben müssen sondern eher Diktate (selbst das kam nach meinen Eindruck auch selten vor).

    Mit Rechtschreibung => Diktat, hatte ich so gut wie gar kein Problem. Über den Satzbau, Regelung des Satzformulierungen hatte ich eigentlich erst während meines Ausbildung in der Berufsschule gelernt.
    Nebenbei hatte ich nach der Schule auf Eigeninitiative versucht die Sätze so zu schreiben, dass es für Hörende verständlich ist. Hatte viel aus dem Internet, durch Faxwechsel, Bücher lesen entnommen/angeeignet.

    Und ich denke hier ist das Problem, da viele Hörgeschädigte gibt die wenig lesen und somit keine Lautsprachliches Deutsch verstehen. Einige (viele => nehme die Formulierung so, da ich nicht verallgemeinern möchte) Mittel-/Hochgradig Schwerhörige die "besser" hörten als ich (bin von Geburt an Taubheit grenzend schwerhörig) bekommen ebenso keinen vernünftigen Satz auf dem Blatt - obendrein ist dessen Wortschatz gering.
    Und die GL (die ich kenne) die relativ gutes Deutsch schreiben, haben guten Wortschatz und lesen schon eher Bücher.

    Ich selbst hatte grosses Interesse an Fremdwörter - nur leider wurde in der Hörgeschädigte Schule wenig genutzt bzw. vereinfacht. Was ich akustisch nicht verstand lernte ich die Bedeutung der Wörter in der Freizeit von andere Hörgeschädigte über Gebärden (LBG). Mit der Zeit merkte ich, dass die Gebärden (LBG) eine Hilfreiche Unterstützung im Verstehen ist, fragte ich die anderen Hörgeschädigte die geringen Wortschatz hatten - ob die nicht zumindest LBG verwenden würden. Es gab viele die sagten "nö kann ich nicht / brauch ich nicht / was soll ich damit".

    Wenn die Hörgeschädigte diese Erleichterung der Kommunikation nicht annehmen finde ich es immer wieder schade, dass die daraus zu wenig machen um in der Welt der Hörende bestehen zu können. Ich finde es schon wichtig, dass man zumindest Schriftdeutsch verstehen sollte.

    Miriam: Der Vergleich mit Ausländer finde ich nicht sooo ganz passend. Wie Du weiss können die GL Akustisch nichts/wenig nebenbei auffangen während die Ausländer Akustisch eher was auffangen können und somit mehr oder weniger die "Fremdsprache" (hier in diesem Fall Deutsch) einprägen!

    Gruss Sandra

  • Zitat von "AndyF"

    Irgendwie habe ich den Eindruck, dass man hier Geburtsgehörlosen unterstellt per se extreme Schwierigkeiten mit dem Schreiben und Lesen zu haben.

    Ich möchte dem widersprechen, dem ist es gar nicht so.

    Zum lesen und schreiben braucht man funktionierende Augen und einen zum schreiben befähigten Körper, aber keine funktionierenden Ohren.

    Eine jeglich geartete Lese-/Schreibschwäche, die durch Gehörlosigkeit begründet wird, ist eine sehr, sehr faule Ausrede und dies von allen Beteiligten!

    So ist es und so hab ich es auch erlebt.

    Hier ist einfach der Lernwille und auch Eltern / Lehrer entscheidend.

  • Mein Verlobter ist gehörlos, wurde ab dem Alter von 4 Monaten mit seinem minimalen Restgehör lautsprachlich nach Schmidt- Giovanini gefördert und hatte Lehrer, die mit seiner Klasse viel Grammatik geübt haben. Er kann einigermaßen sprechen, jedoch für Fremde unverständlich. Er verdreht beim Sprechen Silben & verschluckt Endsilben und spricht "wie typisch gehörlos"; zum Glück nicht mit einer so hohen, sondern mit einer tiefen Stimme, die nicht so unangenehm klingt.
    Sandra, Du kannst gerne widersprechen, Du kennst ihn auch & beurteilst es vielleicht anders. :opa: :wink:
    Sein Schriftbild ist ähnlich: Er verdeht Silben & lässt, besonders am Wortende "gerne" welche aus & hat keine Ordnung in Plural, Singular, Personen & Zeiten. Da hat das viele Üben nicht viel genützt.
    Als ich ihn kennenlernte, habe ich seine Faxe oft kaum verstanden oder musste über eine besonders lustige Formulierung lachen. z.B.: "Ich mache in die Ofen. Da ist schöne warm." Da muss ich heute noch kichern. Das ist jetzt nicht böse gemeint! :wink:
    Er hat durch Freunde Gebärden gelernt, aber nie seine Sprache verlernt.
    Viele Gehörlose, die ich kenne, können witziger weise gar keine reine DGS. Sie gebärden "frei nach Schnauze" zum Teil LBG & z.T. DGS.
    Ich habe mal einen Lektorenkurs gemacht, wo wir Sätze aus einem Text in DGS vortragen sollten & der Rest der Gruppe sollte raten, welcher Satz dies war. 1. keiner konnte meinen in DGS vorgetragenen Satz erkennen. 2. Die anderen Teilnehmer haben ihren Satz Wort für Wort gebärdet... :kopfkratz:
    Da habe ich wirklich gestaunt. :aehmja:

    Jo ist ganz Ohr: links OP Sommer 2002, zuerst Esprit 3G, seit Januar 2008 Freedom, rechts schon immer HG.