Vorbereitung auf die Erstaktivierung/Übung

  • Die Erstaktivierung meines AB-Implantats ist für die kommende Woche vorgesehen.

    Sowohl bei den Vorbesprechungen in der Klinik (UKGM in Marburg) als auch beim Lesen der Berichte im Forum spielt das "Hören (wieder) lernen" eine zentrale Rolle.

    "Hit the ground running" wie es stromlinienförmig im Englischen heißt, ist also ein angesagtes Ziel. Ich habe mir überlegt, was für mich eine vielleicht angemessene Vorgehensweise sein könntet.

    Da ich durch einen Zufall im letzten Wintersemester 24/25 ein Studium der Psychologie an der FernUni Hagen begonnen habe, scheint mir eine EA-Vorbereitung nach Maslows "law of the instrument" (Ist dein einziges Werkzeug ein Hammer, sind deine Probleme alle irgendwie Nägel) nicht allzu falsch zu sein.

    Da das Hörvermögen zu den zentralen Sinnen gehört und eine Ertaubung nach meinem Hörsturz direkt zum "use it or loose it" führt (aka synaptisches pruning), halte ich es für sinnvoll, mich mit den wahrscheinlich "üblichen Verdächtigen" zu beschäftigen.

    Im Grundlagenwerk von Gerrrigs "Psychologie" wären dies vor Allem Kapitel über Gedächtnis, Lernen, kognitive Prozesse. Für wesentlich halte ich insbesondere auch das passagenweise laut Lesen und darauf folgendes Abhören - sicherlich mehrmals...

    Damit sollte ich zumindest keinen Schaden bewirken. Durch das (Wieder-)Gewöhnen an meine eigene Stimme und die Erfahrung "so also hören sich Sätze mit einem bekannten Inhalt" an, erleichtere ich vielleicht meinem auditiven Kortex die Interpretation der andersartigen Stimulationen durch das CI.

    Wie seht Ihr das?

  • Kannst du das vielleicht in einfachen Worten formulieren, was dein Plan und deine Vorüberlegung ist?

    Was ist denn dein Hörstatus und deine Hörgeschichte auf beiden Seiten?

    einseitig ehemals an Taubheit grenzend, Implantation am 20.9.19, EA am 24.10.19, Nucleus 7 von Cochlear

    das andere Ohr ist normalhörend

  • Seit 2018 trage ich Hörgeräte von Sinix die mir ca. 80% Hörvermögen ermöglichen. 2020, im Dezember hatte ich einen Hörsturz rechts. In der Uniklinik Marburg schlug man mir 2021 ein CI vor. 2024 beschloß ich, diesem Vorschlag zu folgen.

    Die Untersuchungen zogen sich bis zum Jahresende hin. Das OK der Krankenkasse zur Kostenübernahme lag 2025 vor, die Implantation eines AB Geräts erfolgte Mitte Juni. Die OP mit Einheilung verlief gut, die Fäden sind gezogen. die Erstaktivierung soll kommende Wocher erfolgen.

    Da - nach allen Informationen - die Gewöhnung an ein CI einem Neu-Lernen des Hörens gleichkommt, möchte ich 2 Fliegen mit einer Klappe schlagen:

    1) Mittels der Diktierfunktion eines Smartphones mich an meine Stimme gewöhnen, die einen eher komplizierten Sachverhalt schildert - sicherlich mit mehrfacher Wiederholung.

    2) Für einen sinnvollen Sachverhalt (natürlich nicht über das immer bemühte "Liebesleben der Maikäfer" ) scheinen Informationen über Lernen, Gedächtnis und kognitive Prozesse geeignet zu sein. (Als Quelle verwende ich entsprechende Kapitel des Grundlagenwerks von Gerrig "Psychologie".)

    Auf diese Weise hoffe ich, meinem auditiven Cortex seine Arbeit bei der Interpretation der vom CI stammenden Stimulationen zu erleichtern.

    Wie seht Ihr das?

  • Ich würde erstmal mit banalen Sachen anfangen in Übungsapps: Alltagsgeräusche, Silben erkennen, Wörter erkennen usw. Außerdem langsame Nachrichten, Hörbücher mit und ohne Mitlesen und dann langsam steigern. Man braucht keine hochakademischen Texte zum Üben. Außerdem würde ich ggf. noch Gedächtnistraining machen, bei mir hatte die Merkdauer etwas gelitten und ich habe mir dann ein Training gekauft.

    einseitig ehemals an Taubheit grenzend, Implantation am 20.9.19, EA am 24.10.19, Nucleus 7 von Cochlear

    das andere Ohr ist normalhörend

    Edited once, last by AnniB (July 5, 2025 at 11:06 PM).

  • Die meisten lernen erfolgreich mit CI hören, ohne vertiefte psychologische und physiologischen Kenntnisse.

    Hilfreich ist m.E. mit einfachen Sachen anzufangen. Alltagsgeräusche, bekannte (Kinder)lieder, Hörtraining-Apps, Nachrichten in langsamer Sprache usw.

  • Wie seht Ihr das?

    Flapsig ausgedrückt sehe ich das so, dass du daraus erstmal keine Doktorarbeit machen solltest.

    Lass die EA erstmal auf dich zu kommen. Höre erstmal nur hin.
    Du wirst sicherlich ein paar Apps und Websites genannt bekommen, die dir beim Hören-Üben helfen. Wenn es einigermaßen klappt und du die ersten rudimentären Erfolge einfährst, kannst du einen Gang höher schalten.
    Denn: „Gras wächst nicht schneller wenn man daran zieht.“


    Geduld und Zuversicht helfen hier.

    Links: AB implantiert im Februar 2025 - EA am 18.03.2025

    Rechts: HG von Phonak Naida Link M

  • Das echte Leben trägt in der Regel auch dazu bei, das Hören zu üben. Zumindest, wenn man unter Leute geht und sich mit ihnen unterhält.

    rechts: CI, N6 von Cochlear seit 3/2016,

    reimplantiert 3/2019,

    Entfernung des Implantates aufgrund eines großräumigen Cholesteatoms 12/2021

    reimplantiert 3/2022, CI 622, N7 von Chochlear

    links: HG Omnia 4 von Resound

    Mein Motto: Hinfallen, aufstehen, Krönchen richten und weitergehen

  • Meine Vermutung ist, daß am Einfachsten Nachrichtensprecherinnen zu verstehen sein werden, und das die wahre "Königsklasse" Menschen sein werden, die beim Sprechen die Zähne nicht auseinander bekommen, eine flache Intonation haben und womöglich noch nuscheln.

    Auch Menschen, die "Mundart" sprechen, dürften sich als harte Nuß erweisen

  • Meine Vermutung ist, daß am Einfachsten Nachrichtensprecherinnen zu verstehen sein werden, und das die wahre "Königsklasse" Menschen sein werden, die beim Sprechen die Zähne nicht auseinander bekommen, eine flache Intonation haben und womöglich noch nuscheln.


    Das ist richtig. Entsprechend empfehle ich, zuerst mal Nachrichten zu hören, am Anfang am besten solche mit Untertiteln.

    Sehr gut funktionieren bei mir auch die z.B. von Spiegel oder Zeit automatisch erzeugten Audioversionen der Artikel, obwohl (oder weil) die fast nur noch automatisch generiert werden, und hier kann man ja immer auch mitlesen. Ich stelle mir da meistens schon die Geschwindigkeit höher ein, auch ohne mitzulesen.

    Am Anfang kann es auch hilfreich sein, das eine oder andere Hörbuch zu hören, und dabei parallel das Buch (oder eBook) zu lesen. Habe das z.B. mit einem alten Buch von Terry Pratchett gemacht, das es in der Onleihe als eBook und Audiobook gab.

    Danach kann man anfangen, Podcasts zu hören, am besten zuerst mit Sprechern, die man früher schon mal gehört hat, und versuchen, die verschiedenen Stimmen auseinanderzuhalten und ihre Charakteristika beim Hören mit dem CI wiederzuerkennen.

    YouTube und NetFlix mit Untertiteln ist auch sehr viel unterhaltsamer als Trainings-Apps. Aber hier kann man sich leicht etwas vormachen. Man denkt man versteht schon alles, aber in Wirklichkeit verlässt man sich doch noch sehr auf die Untertitel.

  • Hallo,

    zu Beginn geht es erst einmal darum überhaupt mit dem CI etwas zu "hören".

    Länger nicht gehörte Geräusche müssen wieder "eingeordnet" werden. Damit hat man anfangs genug zu tun und es ist absolut faszinierend und spannend. Man darf nicht vergessen, dass das CI anfänglich nur auf geringe Lautstärke eingestellt wird. Mit jeder Anpassung ändert sich das und man kann "komplexere" Höreindrücke wahrnehmen und einordnen.

    Wenn man den Eindruck hat auch Sprache zu verstehen, ist das Anhören vom langsam gesprochenen Nachrichten eine hervorragende Übung.

    Mit zunehmenden Hörerfolgen steigert sich die Komplexität der Texte/Sprachnachrichten etc. von selbst .

    "Hören" ist etwas anderes als Verstehen! Das Gehirn benötigt einfach Zeit die Sinnesreize aus der Cochlear (wieder) einzuordnen.

    Zumindest sind das meine gemachten Erfahrungen.

    Ich wünsche viel Erfolg!

  • "Hören" ist etwas anderes als Verstehen! Das Gehirn benötigt einfach Zeit die Sinnesreize aus der Cochlear (wieder) einzuordnen.

    Guter Hinweis. Oft dauert es eine ganze Weile, bis man überhaupt Sprache versteht. Bei mir war es zwar so, dass ich schon von Anfang an Sprache verstehen konnte, zuerst als Roboterstimme, und nicht immer alles, und nur bei deutlichen Sprechern, aber das wurde dann schnell immer besser. Jedoch bin ich da schon eher eine Ausnahme, meist dauert es deutlich länger. Man sollte dann nicht die Geduld verlieren und erst mal Anfangen, Geräusche und Klänge wieder einzuordnen und Freude zu haben, dass man überhaupt wieder etwas hört, auch wenn das Sprachverständnis noch nicht da ist.

  • Heute ca. 12:15 Uhr fand die Erstaktivierung statt.

    Es war ziemlich unspektakulär: Einschalten und sofortiges Hören und Verstehen.

    Nach allem, was ich hier im Forum gelesen habe, würde ich das so beschreiben:

    Es war auf spektakuläre Weise unspektakulär.

    Überrascht bin ich allerdings, wie laut und deutlich ich nun meine eigene Stimme höre.

    Edited once, last by asa_2025 (July 8, 2025 at 5:17 PM).

  • Glückwunsch zu 6er im Lotto!!!


    Ich habe nach der EA auch Ameisen kriechen gehört… krass, was ich alles vorher nicht gehört habe!

    Links: AB implantiert im Februar 2025 - EA am 18.03.2025

    Rechts: HG von Phonak Naida Link M

  • Heute ca. 12:15 Uhr fand die Erstaktivierung statt. Es war ziemlich unspektakulär: Einschalten und sofortiges Hören und Verstehen.

    Nach allem, was ich hier im Forum gelesen habe, würde ich das so beschreiben: Es war auf spektakuläre Weise unspektakulär.

    Gratulation, super, das ist in der Tat spektakulär. Sag bloß, es hört sich auch schon "normal" an, nicht Mickey Mouse oder Robbi der Roboter.

  • Nun, ich höre das Schnurren und Maunzen meines Katers natürlich, die Stimme meiner Frau klingt auch recht natürlich, die Stimmen anderer - mit denen ich häufig rede - klingen auch ganz ok, obwohl noch blechern. Natürlich macht sich auch der Einfluß meines linken Ohres bemerkbar. Erst kommende Woche erhalte ich zur bimodalen Versorgung auch ein neues Hörgerät.

    Durch Zufall betrat jemand Fremdes, deren Sprechen und Sprechweise mir neu war, das Zimmer in der Uniklinik. Diese Frau konnte ich anfangs fast nicht verstehen, erst nach ein paar Sätzen. Das sei normal, meinte der Audiologe.

    Es sei ebenfalls normal, daß das Hörverständnis übe den Tag schwanken könnte. Das kann ich auch bestätigen: Ich trug diesen Soundprozessor am ersten Tag ca. 9 Stunden. Gegen Ende des Tages - beim Heute-Journal - ging mein Verstehen in die Knie. Gegenwärtig klingt eigentlich alles wieder wie gestern.

    Edited once, last by asa_2025 (July 11, 2025 at 9:49 AM).