Voller Tatendrang und unsicher

  • Guten Morgen liebe Gemeinde,

    ich bin 72 Jahre alt, männlich, noch voll im Leben stehend, sportlich und optimistisch . Ich habe links eine leichte bis mittelgradige Schwerhörigkeit und rechts an Taubheit grenzend kein Hörvermögen. Der Grund für meine Schwerhörigkeit rechts ist unbekannt, brauchte deswegen vor über 50 Jahren auch nicht zur Bundeswehr. Mit meinem linken Ohr kam ich bis auf die letzten 20/30 Jahre eigentlich ganz gut zurecht (mit Hörgerät links - bi-cross-); rechts half kein Hörgerät. Rechts "höre" ich auf extrem leiser Basis verzerrt ohne Sprachverstehen. Im täglichen Leben komme ich so gerade noch hin (auch ohne HG).

    Nun merke ich, dass es für mich aber zunehmend schwieriger wird, auch Gesprächen in kleiner Runde zu folgen (Fernsehfilme fast nur mit Untertitelung möglich). Ich bin ehrenamtlich tätig und muss bei vielen Besprechungen dabei sein, also nicht nur verstehen, sondern auch kommentieren. Das sind dann schon meine Grenzen, dann merke ich, dass auch mit meinem HG nur völlig unbefriedigend Verstehen möglich ist.

    Mein HNO empfiehlt mir nun für rechts ein CI. Nun zu meiner Frage: Wer hat eine ähnliche Hörgeschichte und was kann man noch bezogen auf meine Situation mit einem CI erwarten? Ich bin auch für generelle Meinungen zu meiner Situation dankbar. Empfohlen wurde mir für die OP Hagen oder Wuppertal; würde allerdings Düsseldorf w/Nähe bevorzugen. Hat jemand mit Düsseldorf Erfahrungen.

    Herzlichen Dank im Voraus

  • was kann man noch bezogen auf meine Situation mit einem CI erwarten?

    Nun ja, ich kann mir gut vorstellen, daß Du wesentlich mehr hören können wirst, als jetzt möglich.

    Da Du ja mit HG schon Sprachverstehen gehabt hattest, sollte dies auch mit dem CI wieder hinhauen. Natürlich ist eine Gewöhnung und bißchen Training notwendig. Aber es sollte ja machbar sein. Zumindest bist Du als HG Träger schon etwas erfahren in diesen Dingen.


    Ich bin auch für generelle Meinungen zu meiner Situation dankbar.

    Was meinst Du damit?

    Hast Du Sorgen? Nun, eine OP birgt immer Risiken! Das sollte man nicht vergessen, oder gar runter spielen.

    Oder was willst Du genau wissen?

    Hat jemand mit Düsseldorf Erfahrungen.

    Ich wurde in Bochum operiert.

    Wichtig ist, neben der eigentlichen OP und die mögliche Entfernung, halt auch die Nachsorge. Wie sieht das Reha Konzept der Klinik aus?

    Schönen Gruß

    Sheltie

    schon als Kind Hörgeräteträger, bis zum Hörsturz 2005
    rechts: CI422(SRA), N6, Okt 2015

    links: CI522, N6, Nov 2017

    Meine Story: Das Sheltie hat nun auch ein eOhr

  • "Da Du ja mit HG schon Sprachverstehen gehabt hattest, sollte dies auch mit dem CI wieder hinhauen."

    Ganz herzlichen Dank für deinen Post. Links habe ich ein HG (leichte bis mittelgradige Schwerhörigkeit), rechts aber nicht und ein HG rechts würde hier auch nichts bringen. Ich frage mich, ob mein nicht vorhandenes Hörvermögen rechts (möglicherweise von Geburt an) überhaupt mit einem CI wieder hergestellt werden kann.

    Vielen Dank

  • Sorry, irgendwie bin ich davon ausgegangen, daß Du auch rechts ein HG gehabt hattest. Mein Fehler!
    Ich habe noch mal nachgelesen.

    Ich kann mir vorstellen, daß unter diesen Voraussetzungen der rechten Seite deutlich schwerer fallen könnte, Sprachverstehen zu erreichen, zumal diese Seite ja noch nie "arbeiten" mußte, um überhaupt was Hören zu können. Unmöglich vermag ich nicht sagen, da es schon einige geschafft haben. Aber das wird mit sehr, sehr viel Arbeit verbunden sein.
    Was aber gut klappen dürfte, natürlich vorausgesetzt, der Hörnerv ist in Ordung und funktioniert, daß dann eher eine Art "unterstützendes Hören" sein wird. Also er sollten Geräusche, Stimmen und so weiter wahrgenommen werden können, und wenn sogar noch Stereohören eintritt, Dir zumindest noch das Gefühl geben, daß man einfacher, leichter hört, mehr versteht (auch wenn nur die linke Seite das reine Verstehen vom Gesprochenen übernimmt!) und nicht mehr so schnell müde wirst.

    Schönen Gruß

    Sheltie

    schon als Kind Hörgeräteträger, bis zum Hörsturz 2005
    rechts: CI422(SRA), N6, Okt 2015

    links: CI522, N6, Nov 2017

    Meine Story: Das Sheltie hat nun auch ein eOhr

  • Am einfachsten und es wahrscheinlich, wenn du einmal in eine implantierende Klinik gehst und dich untersuchen und beraten lässt. Mit den Untersuchungergebnissen wird man dich wahrscheinlich deutlich besser einschätzen können.

    einseitig ehemals an Taubheit grenzend, Implantation am 20.9.19, EA am 24.10.19, Nucleus 7 von Cochlear

    das andere Ohr ist normalhörend

  • Nun merke ich, dass es für mich aber zunehmend schwieriger wird, auch Gesprächen in kleiner Runde zu folgen (Fernsehfilme fast nur mit Untertitelung möglich).

    Hallo,

    das kannte ich auch. Es wirklich so, dass man häufig erst einen bestimmten Leidensdruck entwickelt, bis man merkt, dass eigentlich gar nichts mehr geht.


    Mein HNO empfiehlt mir nun für rechts ein CI.

    Die Empfehlung ist richtig. Ich habe auch die schlechtere Seite zuerst versorgen lassen, um zu gucken, wie sich das mit dem „Sprachverstehen“ entwickelt, denn das ist das primäre Ziel des CI. Klappte bei mir nach einem längeren Lern- und Gewöhnungs-Prozess sehr gut.

    Du solltest bitte keine Vergleiche auch bezüglich ähnlicher Hörbiographien machen. Denn jeder von uns hier „tickt“ anders!


    ich bin 72 Jahre alt, männlich, noch voll im Leben stehend, sportlich und optimistisch

    Da würde ich an Deiner Stelle möglichst keine Zeit mehr verschwenden, wenn Du bereit bist, einen gewissen Lernprozess inklusive anfangs häufige Einstellungen des Soundprozessors mitzumachen. Denn Dein Gehirn muss die am Hörnerv ankommenden elektrischen Signale neu interpretieren lernen – das geht nicht von heute auf morgen. Durch eine positive und optimistische Grundeinstellung zum CI dürfte Dein Gehirn trotz Deines Alters noch sehr „neuroplastisch“ sein.


    EDIT und Ergänzung:

    Ob Du ein Kandidat für ein CI bist, muss erst noch mit einer „Voruntersuchung zum CI“ geklärt werden. Da werden u. a. Hörtests und Bildgebung gemacht.

  • Weil immer wieder sehr überschwenglich positiv zum CI geraten wird:
    Ja, ein CI ist eine tolle Sache, die auch gut klappen kann.

    Bei über 70 Jahren Taubheit auf dem Ohr sollte man aber davon ausgehen, dass du SEHR lange brauchen wirst (mehrere Jahre!) bis du mit dem CI Sprache verstehst, falls du überhaupt Sprache jemals damt verstehen wirst.

    Spontan fällt mir dazu noch die Frage ein: nutzt du denn irgendwelche Technik (ausser ein Hörgerät) wie z.B. FM-Anlage?

  • Ganz herzlichen Dank für deinen Post. Links habe ich ein HG (leichte bis mittelgradige Schwerhörigkeit), rechts aber nicht und ein HG rechts würde hier auch nichts bringen. Ich frage mich, ob mein nicht vorhandenes Hörvermögen rechts (möglicherweise von Geburt an) überhaupt mit einem CI wieder hergestellt werden kann.

    Vielen Dank


    Heißt es du hattest weder auf rechte Seite ein HG getragen noch überhaupt getestet?


    Wenn so ist, dann wäre die Frage warum nie auf rechte Seite ein HG getestet wurde? Waren lt. audiologische Test keine Hörwerte messbar?
    Wenn das letzteres so wäre, dann kann mit CI schwer werden und bedarf sehr viel Geduld. Es gibt dennoch einige CI- Träger die nach Jahren dennoch implantiert wurden aber brauchen dennoch einigen Jahren wenn überhaupt doch noch zum hören kamen. Zwischen Hören und Sprachverstehen kann nochmals Welten liegen. Das sollte man in Hinterkopf haben.

    Wie schätzt die implantierten Klinik in deinen Fall ein?

  • ei über 70 Jahren Taubheit auf dem Ohr sollte man aber davon ausgehen, dass du SEHR lange brauchen wirst (mehrere Jahre!) bis du mit dem CI Sprache verstehst, falls du überhaupt Sprache jemals damt verstehen wirst.

    Danke für die ehrliche Antwort; genau das befürchte ich, dass mein rechtes Ohr einfach zu lange hörenwöhnt ist

    Wie schätzt die implantierten Klinik in deinen Fall ein?

    Ich war noch in keiner Klinik. Auf You-Tube habe ich ein Video von einer Chefärztin gesehen, die selbst 2 CI-Implantate hat und nach ihren Aussagen auch ältere Patienten mit CI's erfolgreich versorgt hat.

  • Heißt es du hattest weder auf rechte Seite ein HG getragen noch überhaupt getestet?

    Hatte mal testweise rechts ein HG, dass aber leider keine Verbesserung bringt bzw. gebracht hat, da ich rechts leider nur auf sehr geringerer Basis verzerrt höre und ein HG diese Verzerrung nur verstärkt, also kein Hörverstehen (beim Test habe ich mehr geraten als verstanden).

    Die Frage, die ich mir stelle ist, kann eine Klinik im Vorfeld feststellen, ob ein CI-Implantat eine Verbesserung bringt und wenn ja, in welcher Form?

    Ich danke allen für Ihre Antworten, die ich sehr genau lese, mich zum Nachdenken bringen und weitere Schritte ermöglichen.

  • Ich würde mich um einen Termin bemühen und auf der Grundlage der Ergebnisse mit den Ärzten die Entscheidung ausloten. Ärzte sind an sich glaube ich auch immer zurückhaltend, weil sie keine falschen Versprechen machen wollen und sie ja nur begrenzt Möglichkeiten einschätzen können. Je länger du wartest, umso größer wird aber vielleicht einfach auch die Enttäuschung, falls es heißt, dass man eher wenig Chancen sieht. Deswegen, wie gesagt, möglichst schnell einen Termin machen.

    einseitig ehemals an Taubheit grenzend, Implantation am 20.9.19, EA am 24.10.19, Nucleus 7 von Cochlear

    das andere Ohr ist normalhörend

  • Huhu,

    eine 100% Aussage gibt es nicht. Es können Tests gemacht werden, um zu sehen, ob der Hörnerv vorhanden ist und die Impulse weiterleitet. Das ist eine Grundvoraussetzung für das CI.
    Es ist jedoch klar, dass das Hörenlernen länger dauert, je länger man auf dem Ohr nichts gehört hat. Der "Erfolg" mit einem CI ist auch sehr variabel. Von "ich nehme nur Impulse wahr" bis hin zu Musikgenuss ist alles dabei.
    Aufgrund deiner Hörbiographie mit über 70 Jahren Taubheit ist bei dir davon auzugehen, dass du wahrscheinlich mehrere Jahre benötigen wirst, bis du Sprache verstehen kannst auf dem Ohr. Da du auf dem anderen Ohr zwar nicht normalhörend bist, aber dennoch recht gut hörst und Sprache mit Hörgerät hörst, ist extrem viel Geduld und Übung nur mit dem CI notwendig, um überhaupt daraus ein Benefit zu ziehen. Im Alltag wirst du wahrscheinlich in der ersten Zeit gar nicht wahrnehmen, dass du auf dem Ohr mit dem CI etwas hörst, weil dein Gehirn die Impulse von dort wahrscheinlich "ignorieren" wird. Ein Selbstläufer und eine schnelle Lösung für Probleme bei Besprechungen wird das CI bei dir definitiv nicht werden.

    Mit viel Geduld und Übung kann es jedoch möglich sein, dass du tatsächlich mit dem CI ein Sprachverstehen erreichst. Ich kenne mehrere Personen, die nach über 40 Jahren Taubheit ein CI bekommen haben. Nach mehreren Jahren konnten diese allesamt leichte Hörbücher / Hörübungen mit dem CI erfolgreich absolvieren und das CI ist für alle diese Personen eine gute Bereicherung im Alltag geworden.

    Einen Termin zur Voruntersuchung würde ich an deiner Stelle machen. Du hörst ja jetzt auch nichts auf dem Ohr und -schlimmer kann es ja mit einem CI ja auch nicht werden, oder?

  • Kenne Leute über 80, die ein CI erhalten haben und immer besser gehört und verstanden haben, aber eine Garantie für Erfolg gibt es nicht. Ich wünsche dir, HES, alles Gute und noch viel zum Hören und Entdecken.

    Gruß Norbert

    links: Opus 2XS, Flex28; OP 14/09/2012 MHH
    EA: 05/11/2012 erfolgreich

    seit 12/06/2020 Sonnet 2

    rechts: HG (zu nichts nutze...)
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    Offenbarung 21,4
    ...und der Tod wird nicht mehr sein, noch Trauer noch Geschrei noch Schmerz...

    Jesaja 35, 4-6
    Sagt den verzagten Herzen: "Seid getrost ..." ...dann werden die Ohren der Tauben geöffnet werden...

  • Hallo HES,

    ich kann zwar keine Vorhersage treffen aber ich erzähle mal meine Geschichte zum CI. Bis zum 15. Lebensjahr habe ich auf meinem rechten Ohr normal gehört, bis ich durch ein Cholesteatom ertaubte. Ich wurde damals nicht mit einem Hörgerät versorgt sondern habe erst 20 Jahre später damit angefangen. Ich bekam 10 Jahre später einen Hörsturz, der mir die restlichen Dezibel genommen hat. Ich habe 2 Jahre gebraucht um mich für ein CI zu entscheiden. Nach der Implantation habe ich gut 2 Jahre gebraucht, um mit dem CI brauchbar zu hören. Mittlerweile möchte ich es nicht mehr missen, aber ich gebe zu bedenken, dass das Ohr mal normalhörend war und somit nur "aufgeweckt" werden musste. Wenn dein rechtes Ohr unter Umständen nie gehört hat könnte es, wie muggel und Wallaby schrieben schwierig werden, überhaupt in die Sprache zu kommen. Und bis es dir hilft, in Gruppen sinnvoll zu verstehen kann es seeehr lange dauern.

    rechts: CI, N6 von Cochlear seit 3/2016,

    reimplantiert 3/2019,

    Entfernung des Implantates aufgrund eines großräumigen Cholesteatoms 12/2021

    reimplantiert 3/2022, CI 622, N7 von Chochlear

    links: HG Omnia 4 von Resound

    Mein Motto: Hinfallen, aufstehen, Krönchen richten und weitergehen

  • Hallo HES. Ich bin auch einseitig ertaubt (allerdings erst später) und verstehe die Probleme nur allzu gut.

    Wie muggel und andere schon geschrieben haben, ist entscheidender als das Alter, wie lange man schon nichts gehört hat. Solange man noch die Energie für eine OP und das anschließend notwendige Hörtraining hat, sollte es auch in höherem Alter noch gehen. Je länger man allerdings nichts gehört hat, umso geringer sind die Erfolgschancen und so höher und länger der Lernaufwand. Wichtig ist auch, ob man als Kind hören konnte, d.h. ob das Gehirn auf der Seite eine Hörentwicklung bereits mitgemacht hat. Dann hat man schon bessere Karten, auch wenn sich das bei Hörverlust langsam wieder zurückentwickelt. Ich würde mich auf jeden Fall in einer guten Uniklinik untersuchen und beraten lassen. Die können auch den Hörnerv prüfen und eine Tomografie machen und dann prüfen, ob ein CI überhaupt in Frage kommt und wie gut oder schlecht die Chancen stehen, damit nicht nur hören, sondern auch verstehen zu können.

  • HES schreibt, er hört rechts auf extrem leiser Basis verzerrt ohne Sprachverstehen (an Taubheit grenzend). Dann ist das rechte Ohr ja nicht ganz taub, und der Hörnerv funktioniert noch. Das ist doch besser als wenn er wirklich seit 70 Jahren taub gewesen wäre. Warum setzt ihr das gleich?

  • Warum kommt der HNO-Arzt eigentlich erst jetzt auf die Idee, ein CI prüfen zu lassen? Mir scheint, man muss echt Glück haben, an den richtigen Arzt zu gelangen.

    einseitig ehemals an Taubheit grenzend, Implantation am 20.9.19, EA am 24.10.19, Nucleus 7 von Cochlear

    das andere Ohr ist normalhörend