Im Blog des CI-Herstellers MED-EL habe ich einen interessanten aktuellen Artikel zum Thema CI bei SSD gefunden. Weil ich denke, dass dieser Artikel sicher für einige von euch auch interessant sein könnte, habe ich ihn mal hier auf deutsch zusammengefasst.
Die Hinweise verdichten sind, dass sich Tinnitus, Schall-Ortungsvermögen und Lebensqualität bei CI-Trägern mit SSD (einseitiger Taubheit) verbessern. Der Artikel fasst aktuelle Studien und Meta-Analysen zusammen, die zusammen zum ersten Mal auf eine größere Anzahl erwachsener SSD-CI-Patienten zurückgreifen können.
Menschen mit SSD sind im Vergleich zu Menschen mit normalem Gehör auf beiden Ohren weniger gut in der Lage, Sprache im Lärm zu verstehen und Schallquellen zu lokalisieren. In der Vergangenheit wurde oft davon ausgegangen, dass Erwachsene mit einseitiger Taubheit keine Hörsysteme benötigen. Mit der Erkenntnis, dass SSD eine Belastung im täglichen Leben vieler Betroffener darstellt, wurden zunächst CROS-Hörgeräte und Knochenleitungsgeräte als Hörlösungen empfohlen. Beide Gerätetypen sind jedoch eingeschränkt, wenn es um das räumliche Hören geht, z. B. um das Verstehen von Sprache in Störlärm, der von einem anderen Ort als dem des Sprechers stammt.
Im Gegensatz zu konventionellen Hörgeräten können CIs bei vielen Patienten mit SSD die Fähigkeit zur Lokalisierung von Schallquellen erheblich verbessern und den Tinnitus verringern, während sie gleichzeitig ein besseres Sprachverständnis im Lärm und eine höhere Lebensqualität genießen.
Im Einzelnen:
Das Sprachverständnis bessert sich mit hoher Wahrscheinlichkeit (über 75%). Eine Studie fand, dass sogar noch nach 5 Jahren mit CI Verbesserungen möglich waren.
Der Tinnitus war statistisch signifikant verringert, und die Patienten empfanden dies auch subjektiv als Verbesserung. Auch hier wurden in einer Studie Verbesserungen auch noch nach 5 Jahren beobachtet.
Die Studien verzeichneten auch signifikante Verbesserung des Schall-Ortungsvermögens mit CI. Auch hier gab es noch weitere Verbesserungen nach 5 Jahren.
In fast allen Studien wurden auch signifikante Verbesserungen der Lebensqualität berichtet.
Die Vorteile von CIs für Erwachsene mit SSD sind also inzwischen gut belegt. Dennoch gibt es immer noch einige wichtige Überlegungen, die Kliniker berücksichtigen müssen, wenn sie ein CI in Betracht ziehen und mit dieser besonderen Patientengruppe arbeiten.
Zu berücksichtigen bei Erwachsenen mit SSD:
Die erste Überlegung bezieht sich auf die Dauer der Gehörlosigkeit vor der CI-Versorgung. In einer Studie wurden die Ergebnisse der Sprachwahrnehmung bei zwei Gruppen von Erwachsenen verglichen, die postlingual (d.h. nach dem Spracherwerb) einseitig ertaubt sind. Die erste Gruppe hatte eine längere Gehörlosigkeit von mehr als zehn Jahren, die zweite Gruppe eine Dauer der Gehörlosigkeit von weniger als zehn Jahren. Die Studie kam zu folgendem Schluss:
"Erwachsene CI-Träger mit erworbener SSD, mit und ohne längere auditorische Deprivation, zeigten vergleichbare Sprachwahrnehmungswerte. Eine längere Dauer der Taubheit allein sollte einen motivierten SSD-Patienten nicht davon abhalten, sich einer Cochlea-Implantation zu unterziehen."
Diese Ergebnisse wurden später durch eine andere Studie bestätigt, in der festgestellt wurde, dass eine lange Dauer der Taubheit „nicht generell als Kontraindikation“ für ein CI bei Erwachsenen mit SSD angesehen werden sollte.
Es gibt jedoch wichtige Unterschiede zwischen Patienten mit angeborener SSD und solchen, die die SSD postlingual erworben haben: "Eine längere Dauer der Taubheit in Kombination mit angeborener SSD kann zu eingeschränkten CI-Ergebnissen führen."
Die zweite Gruppe von Überlegungen bezieht sich auf die Erwartungen und das Verhalten der Empfänger nach der Implantation. In der Beratung mit CI-Kandidaten sollten realistische Erwartungen geweckt werden, insbesondere in Bezug auf das Hörtraining, die konsequente Nutzung des Geräts und die Gesamttragezeit, damit sie den maximalen Nutzen aus ihrem CI ziehen können.
Zusätzliche Überlegungen müssen angestellt werden, wenn die elektrische Stimulation auf einem Ohr mit dem akustischen Hören auf der anderen Seite kombiniert wird.
„Bei SSD-CI-Nutzern spiegelt die interaurale Fehlanpassung die Beziehung zwischen der Elektrodenplatzierung und der akustischen Tonotopie der Cochlea wider. ... Da sich die binaurale Empfindlichkeit von SSD-CI nicht an die interaurale Fehlanpassung anzupassen scheint, wird die Maximierung der binauralen Leistung wahrscheinlich einen Eingriff durch Anpassung der Frequenzzuweisung des CI-Soundprozessors erfordern.“
Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass eine Neuprogrammierung der Frequenzzuweisung des Cochlea-Implantats auf der Grundlage von CT-Scans anstatt interauraler Tonhöhen die binaurale Verarbeitung und die Vorteile des räumlichen Hörens verbessern kann.
Obwohl die Methode der Bereitstellung von elektrischen Filterfrequenzen anhand der Position in der Cochlea noch ein junges Forschungsgebiet der Cochlea-Implantat-Forschung ist, haben viele frühe Studien vielversprechende Ergebnisse gezeigt.
Eine aktuelle Studie konzentrierte sich auf SSD-CI-Nutzer mit postlingualem Hörverlust und kam zu dem Schluss: „Erfahrene SSD-CI-Nutzer bevorzugten die Verwendung der ABF-Map (anatomiebasierte Anpassung), die ihnen signifikante Verbesserungen beim binauralen Hören und einigen Aspekten der Sprachwahrnehmung brachte.
Es ist möglich, die Tonhöhe der elektrischen Stimulation durch das Cochlea-Implantat an die natürliche akustische Tonotopie (räumliche Verteilung der Frequenzen) der Cochlea anzupassen. Mithilfe der Otoplan-Software und CT- oder einfachen Röntgendaten können Audiologen die Position der Elektrodenanordnung jedes Patienten nach der Operation bestimmen. Auf der Grundlage dieser Informationen können Audiologen die an die einzelnen Elektroden gesendeten Frequenzen neu zuordnen und so die natürliche Abstimmung der Cochlea des jeweiligen Patienten besser berücksichtigen. Dies kann dazu beitragen, die Tonhöhe im implantierten Ohr an das andere Ohr anzupassen, unabhängig davon, ob dieses Ohr ein natürliches Gehör, ein Hörgerät oder ein zweites CI hat.
Für Patienten mit Hörgerät für die akustische Stimulation des anderen Ohrs ist es wichtig, das Signal-Timing zwischen dem CI und dem akustischen Ohr zu synchronisieren. Hier für gibt es die bimodale Synchronisationsfunktion in der Maestro-Software. Aber zuvor sollte man eine anatomiebasierte Anpassung durchführen, um sicherzustellen, dass frequenzspezifische Verzögerungen an jede tonotopisch passende Stelle übertragen werden.
Für SSD-CI-Nutzer ohne Hörgerät ist die CI-Signalverarbeitung der MED-EL Cochlea-Implantate so konzipiert, dass sie das natürliche Hören mit Verzögerungen nachahmt, die denen des unversorgten Ohrs ähnlich sind.
Der Artikel schließt mit folgendem Zitat einer CI-Trägerin:
Quote„Ich möchte die Menschen ermutigen, das zu tun, was sie lieben, ob es nun Musik oder etwas anderes ist. Lassen Sie sich nicht durch einseitige Taubheit, andere Menschen oder sogar Sie selbst einschränken. Sehen Sie Ihren Hörverlust und ein Cochlea-Implantat als eine Reise und eine Chance!“
👉 Weitere Info zum Thema einseitiger Hörverlust auf der Website von MED-EL.