Meine Lieben,
ich bin so glücklich, dass ich es bis hierher geschafft habe: gestern ist nach einer komplikationslosen Operation mein Implantat (N8/links) aktiviert worden! *Konfetti werf*
Jetzt brauche ich ganz kurz euren Rat. Ich habe mich ganz gut reingelesen in das Thema CI und weiß genau, was ich zu erwarten habe und dieses Posting soll sich nicht darum drehen, dass Stimmen "irgendwie seltsam klingen". Es ist quasi mein zweiter Tag mit CI. Trotzdem beunruhigt mich etwas. Ich beschreibe kurz den Klang, den ich gerade erlebe und erläutere dann, warum mich das etwas beunruhigt.
Klang: Bei der Aktivierung werden ja die einzelnen Elektroden getestet, um eine Reaktion des Hörnervs zu provozieren. Das Klangergebnis dieses Tests war für mich fantastisch! Ich hatte jede Frequenz kristallklar gehört und auch deren Modulation. Was mich umgehauen hatte: der BASS! Ich habe so einen intensiven, sauberen Bass noch nie gehört!
Dann das erste Mal Hörprozessor. Meine Audiologin geht sehr, sehr behutsam vor, was die Lautstärkeschritte betrifft, die jetzt auf mich zukommen. Sie hat bei der Feststellung der Start-Lautstärke auf den Moment gewartet, an dem ich IRGENDWAS gehört hatte, und das ist jetzt quasi meine Betriebslautstärke, die in den nächsten Tagen durch unterschiedliche Programme leicht angehoben wird.
Was habe ich gehört: eine Kernfrequenz, eine fixe Tonhöhe, die quasi bei Geräuschen oder Stimmen im Raum "morst". Für mich ist diese Frquenz quasi die einzige Zutat aus den komplexen Geräuschen um mich herum. Eine einzige Frequenz, die mit mir morst. Es klingt ein bisschen so, als würde man mir ein rieeeeesiges, laaaaanges Plastikrohr ans Ohr halten und an der anderen Seite mit dieser Frequenz morsen. Die Frequenz klingt blechern und sehr verdröhnt.
Im Laufe meines ersten Tages kann ich nun meine Stimme ganz langsam aus diesen Morsezeichen heraushören. Alles ist leise gestellt, also ist auch meine Stimmwahrnehmung leise. Der blecherne Morseton ist extrem dominant, die Stimme drumherum nur etwas mehr als eine Ahnung im Schatten dieser Dominanz, aber dennoch deutlich wahrnehmbar, keine Einbildung. Meine Stimme klingt durch das blecherne Morsedröhnen, als würde ich in einen großen Blecheimer sprechen. Auch nehme ich plötzlich ein zyklisches Zischen wahr. Ich brauchte eine Weile, um zu verstehen, dass das meine Atmung durch die Nase ist. Soweit ist erstmal alles in Ordnung und sogar ein bisschen besser als das, was ich erwartet hatte.
Warum beunruhigt: Ich hatte zahlreiche Hörstürze auf meinem Weg in die Taubheit. Bei jedem Hörsturz gab es eine akute Phase, in der ich eine Kernfrequenz gehört hatte, die genauso verdröhnt klang wie die Kernfrequenz meiner CI-"Morsezeichen". Dieses Phänomen hatte mich bei Hörstürzen über Wochen begleitet und ein Verstehen in diesen Phasen selbst mit Hörgeräten fast unmöglich gemacht. Es ist nun mit CI die gleiche Frequenz wie bei meinen Hörstürzen. Es ist das gleiche Dröhnen wie bei meinen Hörstürzen. Die ersten Gehversuche mit dem CI fühlen sich an wie ein akuter Hörsturz und ich frage mich gerade, ob der Ursprung davon nicht in der Prozessor- oder Implantatstechnik, sondern in meiner Cochlea/Hörnerv-Struktur liegt. Laut meinen Voruntersuchungen bin ich der perfekte CI-Kandidat und es gab keine Anzeichen, dass strukturelle Schäden vorliegen. Ich habe Angst, dass diese blecherne, verdröhnte Morsefrequenz für immer ein Teil meiner Höreindrücke sein wird, weil ich sie aus Hörsturz-Zeiten sehr genau kenne. Ihr könnt euch sicher sein: Ich habe alle Geduld der Welt für den kommenden Lernprozess, aber dieses déjà vu aus Hörsturz-Zeiten beängstigt mich sehr.
Könnt ihr mir da etwas zu sagen? Ging euch das genauso? Kann jemand mit meiner Beschreibung des verdröhnten "Morsens" etwas anfangen? Oder ist in euren Augen das Ganze einfach ein Teil der neuronalen Adaption?
Ganz, ganz lieben Dank für Antworten,
Euer Ben