CI-Alltag mit den Beeinträchtigungen

  • Hallo zusammen,

    mich würden eure Erfahrungen interessieren, wie ihr das Hören mit Cochlea Implantat im Alltag mit den Beeinträchtigungen empfindet und ob es euch ähnlich geht wie mir.

    Kurz zu mir. Ich bin von Geburt an taub und wurde beidseitig mit Cochlea Implantaten versorgt, einmal mit ca. 2 Jahren und einmal mit ca. 6 Jahren.

    Trotz Höhen und Tiefen habe ich meine Ausbildung zur Verwaltungsfachangestellten abgeschlossen und arbeite seit fast 8 Jahren in der Verwaltung. Seit ein paar Jahren bin ich in den Bürobereich gewechselt, wo ich leider viel mehr an Besprechungen teilnehmen muss. Meine Kollegen wissen und nehmen Rücksicht darauf, dass es für mich sehr schwierig ist, den Besprechungen zu folgen und ich nicht alle Details verstehe und im Kopf habe. Neulich musste ich zum ersten Mal das Protokoll der Besprechung schreiben, zwar nicht alleine, aber es hat mich sehr belastet, wie wenig ich aktiv zugehört habe und wie wenig ich direkt verstehen konnte, obwohl es diesmal sogar eine Videokonferenz war, bei der ich mehr verstehen sollte. Abgesehen von der Sitzung merke ich auch, wenn ich mich mit vielen Leuten vor Ort unterhalte, dass ich im Nachhinein sehr viele Details vergesse, über die gesprochen wurde. Manchmal frage ich mich, ob es an mir oder an meinem eingeschränkten Hörvermögen liegt, dass ich Probleme mit der Aufmerksamkeit, dem Verstehen und dem Zuhören habe. Zuletzt wurde ich sogar gefragt, ob ich Interesse an einer Fortbildung zur Verwaltungsfachwirtin hätte, aber ich bin durch die schwierige Zeit meiner Ausbildung eher abgeneigt, obwohl ich in den Berufsjahren danach laut meinen Kollegen eine hilfsbereite Kollegin war und sogar eine Empfehlung von einem Kollegen bekommen habe, was mich schon freut. Eigentlich schreibe ich keine Berichte, aber ich muss einfach mal Dampf ablassen. Ich habe nur einen Freund, der auch ein CI hat, aber er kann diese Erfahrung nicht mit mir teilen. Ich glaube, ich wollte eure Erfahrungen hören, um zu sehen, ob es wirklich so ist, dass das Hören eingeschränkt ist, damit ich mich selbst besser akzeptieren kann.

  • lexalemons Das Hören mit CI, insbesondere das Verstehen mit CI ist sehr individuell. Einer hat keinerlei Probleme, ein Anderer muss sich derart anstrengen, um einem Gespräch zu folgen, dass er oder sie nach kurzer Zeit mehr oder weniger der Erschöpfung nahe ist. Und genau das verringert die Aufmerksamkeit, dass Verstehen überhaupt belastet zudem auch noch psychisch. Ich würde dich in diese "Kategorie" einordnen. Bin allerdings kein Arzt oder "Fachmann", um das abschließend und sicher beurteilen zu können/dürfen.

    Es werden sogar Studien über Höranstrengung und die Folgen davon gemacht.

    Zum Beispiel im Hörzentrum Oldenburg (https://www.hz-ol.de/de/) . Dort kann man sich sogar als Testhörer anbieten.

    rechts und links: AdvancedBionics (AB) Naída CI-M 90

  • Hallo,

    Ich bin auch im öffentlichen Dienst (höherer technischer Dienst mit Führungsverantwortung).

    Wenn man sich stark auf das Verstehen konzentrieren muss, dann fehlen Gehirnkapazitäten für die Verarbeitung des Hörens. Das kennt auch jeder Hörbehinderte, mal mehr mal weniger.

    Ich berichte mal, wie ich versuche das Phänomen einzugrenzen.

    Ich benutze optimale Technik und habe insgesamt 8 Table Mics von Phonak und das reicht für größere Runden. Das Integrationsamt zahlt so etwas, probiere es ruhig mal aus. Mein Büro ist schalloptimiert. Auch das hat das I-Amt bezahlt.

    Bei Videokonferenzen bitte ich die Leute ein Headset zu benutzen, wenn sie die grottige Laptopmikrofone benutzen. Und das reduziert Echos. Und siehe da, die allermeisten haben tatsächlich Headsets, und sind nur zu bequem, sie zu nutzen.

    Ich schreibe während der Besprechung nur wenig bis gar nichts mit, eigentlich nur wenn Zahlen festgehalten werden müssen, sondern wende mich den sprechenden Personen zu. Ich frage viel, nicht nur nachbakustisch nicht Verstandenem, sondern auch inhaltlich. Das ist auch deshalb notwendig, weil viele Menschen nicht so gut erklären können, dass man das Problem erfasst.,Ich sage beispielsweise. Sie haben gerade XY gesagt. Wie muss ich das verstehen? Und ganz oft frage ich: Wie ist es dazu gekommen, dass jetzt XZ ist? Oder ich frage einfach Warum? Oder Was ist Ihr Lösungsansatz?

    Die Ergebnisse einer Besprechung fasse ich am Ende mündlich noch einmal für alle zusammen. Manchmal merke ich, dass ich ein Detail nur halb verstanden habe, das ergänzen dann andere oder sagen mir, wenn ich falsch liege. Total falsch liege ich sehr, sehr selten. Und damit das nicht merkwürdig wirkt, teile ich meine Schwerhörigkeit vor der Besprechung mit, allein schon wegen der Table Mics.

    Ich delegiere Protokolle, ich lasse sie mir aber vorlegen und ergänze das was meiner Meinung nach fehlt. Bzw. manchmal schreibe ich mir vor Feierabend im Büro noch ein paar Dinge aus dem Gedächtnis zusammen, wenn ich befürchten muss, dass es mit dem Protokoll dauert.

    Den Verwaltungsfachwirt mache ruhig. Hey, wir suchen gerade Mitarbeiter im gehobenen Verwaltungsdienst oder mit Angestellten Lehrgang II. Du arbeitest nicht zufällig in Niedersachsen, oder ?8o Auch bei den Lehrgängen hast Du es mit Zusatztechnik deutlich leichte mit dem Verstehen.

  • Auch als einseitige CI-Trägerin mit normalhörenden Zweitohr habe Schwierigkeiten, gleichzeitig zuzuhören und mitzuschreiben. Als Lehrerin fallen viele Protokolle an. Manche (mit kleinem Personenkreis in einem kleinen Raum) traue ich mir zu, von anderen, im Zweifelsfall juristisch relevanten Protokollen (z. B. im mündlichen Abitur und Gesamtkonferenzen in der Aula mit 90 Teilnehmern) habe ich mich freistellen lassen. Es ist schon anstrengend genug, hier ohne Pause über Stunden anzuhören.

    links: ehemals an Taubheit grenzend, OP am 10.1.23, EA am 26.1.23 mit Rondo 3

    rechts: normal hörend

  • Manchmal frage ich mich, ob es an mir oder an meinem eingeschränkten Hörvermögen liegt, dass ich Probleme mit der Aufmerksamkeit, dem Verstehen und dem Zuhören habe.

    Es gibt da schon einen Zusammenhang.

    Als es mit meinem Hören immer schlimmer wurde, Hörsturz auf der guten HG Seite und schlechtes Sprachverstehen auf der anderen Seite, war ich gezwungen, mich sehr stark auf das zu konzentrieren, was da gesagt wurde. Ich bin mir ziemlich sicher, daß ich alles verstanden hatte, denn sonste hätte ich mehr nachgefragt, aber im Nachhinein konnte ich schwer was rekonstruieren.
    Gleichzeitig zuhören und mitschreiben konnte ich noch nie sehr gut. Gedächtnisprotokolle fielen mir leichter. Aber nicht, als das mit dem Hören schlimmer wurde.


    Zu Dir:
    Da wäre die Frage, wie gut hörst Du mit Deinen CIs?
    Also, jetzt echt nur nach Deiner eigenen Wahrnehmung!
    Dann erst kommt das Umfeld dazu. Stimmen sie Deiner Einschätzung zu?

    Man darf nie vergessen, selbst mit CIs versorgt ist man im direkten Vergleich immer noch "nur" schwerhörig. Vielleicht bekommt man mehr mit, als noch zu reinen schwerhörigen Zeiten mit HGs versorgt (in Deinem Fall fällt dieser Vergleich ohnehin weg), oder nach einer Ertaubung. Trotzdem wird es sicherlich deutlich weniger sein, als ein echter Normalhörender so mitbekommen vermag.


    Was Du aktiv machen könntest: mal durchchecken lassen, ob sich nicht vielleicht doch noch was an Deinen Einstellungen etwas "feilen" läßt, für ein besseres Verständnis. Vielleicht gibt noch noch Optionen?
    Möglich wären auch in Form von technischen Hilfen, die mit Deinen CIs kompatibel sind. Auch mal schauen, ob es nicht eine Möglichkeit gibt, elektronisch und somit automatisch alles mitschreiben lassen kann, was da gesprochen wird, so daß Du Dich nur aufs Zuhören beschränken kannst. Dann kannst Du beim drüberfliegen immer noch was ausbessern.

    Oder Du machst einfach mal eine Art Reha. Quasi etwas Urlaub von allem, aber mit Hilfe von Profis, die Dir helfen können, an Deiner Situation noch etwas verbessern, sei es auch nur mental.

    Schönen Gruß

    Sheltie

    schon als Kind Hörgeräteträger, bis zum Hörsturz 2005
    rechts: CI422(SRA), N6, Okt 2015

    links: CI522, N6, Nov 2017

    Meine Story: Das Sheltie hat nun auch ein eOhr

  • Im Büro kann ich durchaus zuhören und mit diskutieren. Allerdings habe ich keine Chance ein Protokoll zu schreiben. Auch dann nicht, wenn ich nur zuhöre. Das was gesagt wird, während ich schreibe, kommt akustisch bei mir nicht an, es ist einfach weg.

    Zuhören ist für mich und wohl die meisten Schwerhörigen eine Sache, die ich aktiv tun muss, eine Sache, bei der Normalhörende offenbar überhaupt nicht nachdenken müssen.

    Denken muss man sowieso. Warum dann nicht gleich positiv?

  • Im Büro kann ich durchaus zuhören und mit diskutieren. Allerdings habe ich keine Chance ein Protokoll zu schreiben. Auch dann nicht, wenn ich nur zuhöre. Das was gesagt wird, während ich schreibe, kommt akustisch bei mir nicht an, es ist einfach weg.

    Zuhören ist für mich und wohl die meisten Schwerhörigen eine Sache, die ich aktiv tun muss, eine Sache, bei der Normalhörende offenbar überhaupt nicht nachdenken müssen.

    Das geht mir exakt genau so. Sollte ich Protokoll schreiben, müssten alle mit Sprechen warten, bis ich aufgeschrieben habe. Macht also wenig Sinn für mich. Daher schreibe ich keine Protokolle.

    Ab 01/2025 Cochlear N8 beidseitig / 2017-2024: N6 / 2011-2017: N5
    --
    OP li: 05.2011 | EA: 06.2011
    OP re: 08.2011 | EA: 09.2011

    DGS und Ci :thumbup:

  • Hallo zusammen,

    seit dem ich einseitig ein CI trage habe ich manchmal das Gefühl, dass mein Gehirn mehr leisten muss um die 2 verschiedenen Höreindrücke zu verarbeiten. Und dann kann sich mein Gehirn irgendwie viel weniger merken. =O

    Gefühlt muss ich mich viel mehr in Gesprächen konzentrieren als früher und das finde ich anstrengend.

    Von daher kann ich nachvollziehen lexalemons was du schreibst.

    LG Uta

    Einseitig ertaubt seit Februar 2023 / Kanso 2 seit September 2023 - dankbar <3

  • Hallo zusammen,

    seit dem ich einseitig ein CI trage habe ich manchmal das Gefühl, dass mein Gehirn mehr leisten muss um die 2 verschiedenen Höreindrücke zu verarbeiten. Und dann kann sich mein Gehirn irgendwie viel weniger merken. =O

    Gefühlt muss ich mich viel mehr in Gesprächen konzentrieren als früher und das finde ich anstrengend.

    Von daher kann ich nachvollziehen lexalemons was du schreibst.

    LG Uta

    Mir geht es wie dir Uta. Selbst als ich links noch normal hörte und rechts taub, war es nicht so ermüdend und anstrengend wie jetzt mit CI einseitig und rechts taub.
    Nach 2h/3h Besprechungen (mit zwei Mics auf dem Tisch) bin ich down und könnte schlafen.

    rechts seit Kindheit gehörlos

    links seit Sept.20 gehörlos und seit Okt.20 ein Blechohr mit Nucleus 7 Cochlear

    Implantiert in der Uniklinik Freiburg / Prof.Dr. Aschendorff

  • Mit Schwerhörigkeit fällt es definitiv schwerer, Gesprächen länger zu folgen, man muss ich auf das Verstehen konzentrieren, ermüdet schneller, und kann weniger über die eigentlichen Inhalte nachdenken. Wenn man zu oft und zu lange innerlich abschaltet, weil alles zu anstrengend ist, dann trainiert man diese Fähigkeiten aber auch nicht, und man wird immer schlechter darin. Ich denke daher, man sollte es aktiv trainieren, und auch mal freiwillig bei Sitzungen Protokoll schreiben. Vielleicht auch erst mal nur für sich selbst, wenn man sich unsicher ist.

    Ich glaube, da geht es Schwerhörigen etwas ähnlich wie ADHSlern, die auch große Mühe haben, sich längere Zeit zu konzentrieren und Gesprächen zu folgen, wenn auch aus anderen Gründen. Von denen kann man sich aber sicher auch ein paar Strategien abschauen.

    Mir persönlich hat es geholfen, meine Einstellung dazu zu ändern: Es nicht mehr als Behinderung zu sehen, sondern als Herausforderung.