Moin in die Runde.
Ich heiße Nicole, bin 48 Jahre jung und seit kurzem (wahrscheinlich) endgültig links ertaubt nach einem Betriebsunfall, den man sich so auch nicht ausdenken kann...
Aber bevor ich davon erzählen kann, gibt es eine lange Vorgeschichte.
Anfang der 2000er hatte ich mehrere Hörstürze. Bekam dann entweder eine Infusion oder Ginko Tabletten. Ich hatte verschiedene Ohrenärzte an verschiedenen Wohnorten. Es waren vielleicht fünf auf sieben Jahre verteilt. Immer wieder der "Hinweis" : "Sie haben zu viel um die Ohren. Treten Sie kürzer." Ich war zwar viel mit Freunden und Musik unterwegs, aber das machte mir Freude und keinen Stress!
2008 hatte ich dann wieder einen. Ich ging zu meinem HNO und sagte: "das war wohl einer zuviel, ich höre gar nichts mehr." Er winkte ab und sagte:"Wir machen erst einmal einen Hörtest."
Nach dem Test guckte er mich erschrocken an und sagte:"Sie hören ja fast gar nichts mehr!" Daraufhin schickte er mich ins MRT.
Dort hielt mich der Radiologe direkt auf und erklärte mir, dass ich einen Felsenbeintumor (Endolymphatischer Sac Tumor=ELST) habe, der extrem selten und Teil einer er genetischen Erberkrankung (von-Hippel-Lindau) sei und ich direkt in der Neurochirurgie vorsprechen und mir einen OP Termin geben lassen muss.
2006 hatte ich einen burn Out hinter mir, 2007 noch Zwillinge zu meinen beiden drei,- und vierjährigen Kindern dazu bekommen, und nun, 2008, dass...!
Drei Wochen später wurde ich direkt operiert, weil mein Hören sich rapide verschlechtert hatte.
Der Eingriff ist mit der akkustikus Neurinom OP zu vergleichen, nur dass mein Tumor aus dem Felsenbein auf den Hörnerv wuchs und nicht anders herum. Nach der OP kam ich 24 Stunden auf die Intensivbewachung. Als ich wach wurde, habe ich als erstes geprüft, ob ich eine Gesichtslähmung hatte und war unglaublich froh, dass ich die nicht hatte!
Aber Schmerzen hatte ich!
Ich konnte meinen Kopf nicht bewegen,ohne schlimmste Schmerzen im gesamten Kopf auszulösen. Nicht einmal die Rückenlehne vom Bett durfte bewegt werden.
Schwindel hatte ich ebenfalls und konnte beim begleiteten Gehen nur im Zick Zack über den Flur laufen.
Psychisch brach ich dadurch völlig zusammen.
Hören konnte ich leider auch nicht besser. Ich bekam also ein Hörgerät.
Das brachte mir allerdings verhältnismäßig wenig. Ich heulte mir zwar vor Glück die Augen aus, als ich Musik wieder Stereo hörte, aber Sprache verstand ich nicht mehr und das machte hören schwierig. Es war zeitlich eine Herausforderung (4 kleine Kinder), finanziell schwierig und dann waren da die Schmerzen: als hätte man mir alle Zähne ohne Betäubung gezogen und die Wunden blieben offen. Als 24 Stunden Dauerschmerz! Es sollte ein dreiviertel Jahr (lebensunfähige) Zeit dauern, bis endlich ein Nervenschmerzmittel Erleichterung und Lebensqualität zurück brachte.
Als das Hörgerät irgendwann in den folgenden Jahren einen Schaden hatte, flog es in eine Ecke und blieb dort .
Eine Gentestung ergab, dass ich wahrscheinlich kein von-Hippel-Lindau habe, dennoch bin ich schnell im MRT, wenn mein Körper komische Anzeichen gibt, was in den vergangenen 16 Jahren häufig der Fall war.
Meine Ehe überlebte diesen ganzen Mist nicht.
Trotzdem bin ich seit 10 Jahren zu zweiten Mal verheiratet .
Mein rechtes Ohr hat für beide Seiten übernommen, ich sitze automatisch so, dass ich mein Gegenüber gut hören kann, gehe auf der zugewandten Seite neben Menschen her, drehe mein rechtes Ohr zu, lese das Lippenbild und warne Menschen, die links von mir auf Veranstaltungen sitzen, dass ich sie nicht höre und sie mich antippen sollen. Richtungshören kann ich nicht, was in meinem Beruf, Erzieherin im Kindergarten, eine Herausforderung ist: ich höre, dank meinem rechten Ohr, als erste, wenn Kinder in Not schreien, weiß aber nicht, woher! Meine Kollegen bekommen dann sofort Bescheid und das klappt ganz gut, weil ich sehr offen damit umgehe. Ich habe mich also gut arrangiert.
Vor vier Jahren hat mein HNO mir ein neues Hörgerät verordnet. Bei den Tests dann die unglaubliche Überraschung! Ich habe die abgefragten Wörter gehört und verstanden!!! Wie damals beim Stereohören flossen wieder die Tränen!
Das neue Gerät wurde angepasst und die nächste Überraschung: Finanzen im Hörgeräte Geschäft haben sich verändert: Kassenleistung!
Seitdem lief es gut. Ich hörte quasi unterstützend auf dem linken Ohr mit. Sprachverständnis im Alltag war nicht besonders und sehr mühsam links, aber okay.
Und dann vor einem Monat das:
Ich war mit meiner Kindergarten Gruppe im Wald auf einem Hügel (Schleswig-Holstein...). Es näherte sich ein Düsenjet. Kennt man ja...
Der wurde allerdings immer lauter. Es ging rasend schnell und ich hatte nur die Kinder im Blick. Der Jet flog DIREKT über den Wald Wipfeln. Meine Kollegin meinte ca 30 Meter über uns. Sie hat ihn gesehen. Durch das fehlende Richtungshören und meinen Schreck und meinen Blick auf die Kinder habe ich ihn s schnell nicht "gefunden". Und dann kam ein Überschallknall. Direkt über uns.
Die Kinder schrien, eins hat sich bäuchlings auf den Boden geworfen.
Dann kam ein zweiter Jet und ich habe allen Kindern zugeschrieen: Ohren zu. So saßen wir da alle, aber für mein linkes, Hörgerätverstärktes, Ohr zu spät...
Auch eine Cortisontherapie brachte nichts mehr. Funktionell taub auf dem linken Ohr. (Das rechte ist heil geblieben!)
Und mein HNO hat mir eröffnet, dass ich jetzt eine Kandidatin für ein CI bin.
Ich soll mich schlau lesen, Fragen stellen, erkundigen. Und da bin ich.
Ich vermute, der Text ist jetzt mal richtig lang geworden, deshalb höre ich für jetzt erstmal auf.
Liebe Grüße aus dem Norden
P.S.: kommen meine Fragen hier in diese Rubrik, oder wo stelle ich die am besten?