Frage zum Hör-Training im Alltag

  • Hallo Ihr Lieben,

    in drei Tagen ist meine Erstanpassung und ich bin schon wahnsinnig gespannt wie es verlaufen wird. Ich habe so viele unterschiedliche Berichte dazu gelesen wie es bei den anderen verlaufen ist, dass ich mit allem möglichen rechne und am meisten damit, dass ich überhaupt erstmal "irgendwas" höre :P.

    Jedenfalls ist mir klar, dass sich das "normale" Hören vor allem dann einstellen kann, wenn man soviel wie möglich übt. Und mit Sicherheit wird mir die Audiologin dazu etwas sagen, werde ich auf der Reha etwas dazu erfahren und ich habe das ja auch bei den meisten von Euch gelesen.

    Nun hat sich mir eine Frage gestellt: Wie sieht der Übungsalltag konkret aus? Ich habe nun viel dazu gelesen und auch gehört, dass man z.B. viele Hörbücher liest, Filme sieht etc. Also vieles, was man quasi im Alleingang macht. Aber ich bin ja, wie die meisten von Euch, nun mal nicht allein. Ich habe (normalerweise) einen Arbeitsalltag und Familie und kann mir irgendwie nicht vorstellen, mich nach einem langen (Hör-) Tag, nachdem dann die Kinder ins Bett gebracht sind, noch hinzusetzen und ein gezieltes Hörtraining zu absolvieren (ich habe irgendwo gelesen, dass sich jemand täglich mind. zwei Stunden mit seiner Partnerin hingesetzt hat, um zu üben :/). Das ist doch wahnsinnig erschöpfend!? Ich bin echt neugierig, wie ihr es so handhabt und für alle Tipps dankbar! :saint:

    Unser Körper ist ein Wunder <3.

  • 2 h am Tag? das würde ich nie schaffen...in den ersten Monaten war ich Abends durch die ganzen Höreindrücke so erschöpft....da habe ich kaum geübt...der Alltag war Übung genug...nach einem halben Jahr ging es viel besser und ich übe jetzt zusätzlich mit Apps und Hörbücher und einmal die Woche zur Logopädin. Es ist wirlich eine Gratwanderung zw. Über- und Unterforderung. Wichtig ist da auf sich und auf sein Ohr zu hören....manchmal spricht es mit dir (brummt oder summt oder...) wenn man zuviel macht oder der Kopf tut weh....deshalb ist wichtig auf seinen Körper zu achten und sich nicht zu stressen.... und trotzdem sich immer wieder zu fordern und zu trainieren.... viel Spass bei deiner Hörreise!

    Einseitig ertaubt seit Februar 2023 / Kanso 2 seit September 2023 - dankbar <3

  • Ich kann nur als SSDlerin mit einem noch gut hörenden Ohr sprechen: Das Üben über den Tag verteilt - länger als 15 Minuten am Stück habe ich anfangs nicht geschafft - scheint mir wichtig und richtig. Üben heißt mit Apps arbeiten, Hörbuch hören und mitlesen, langsam gesprochene Nachrichten. Je größer die Hörfähigkeit zwischen beiden Seiten ist, desto wichtiger scheint mir das explizite Üben, auch mit Streaming, und nicht nur „Training im Alltag“. Andernfalls übernimmt nämlich die ganze Zeit das gut hörende Ohr. Das sagte mir vor Kurzem sich nochmal die Technikerin.

    einseitig ehemals an Taubheit grenzend, Implantation am 20.9.19, EA am 24.10.19, Nucleus 7 von Cochlear

    das andere Ohr ist normalhörend

  • Du bist SSD oder?
    Da ist regelmässiges Training enorm wichtig um das Ci Ohr fit zu machen, sonst übernimmt, wie schon AnniB geschrieben, immer das gute Ohr die Führung beim Hören.

    Ich gehöre zu denen die täglich 1-2 h geübt haben nach der Erstanpassung, neben einem Job, Familie, Haus und Co... Es war sehr, sehr streng, der Erfolg aber riesig und ich hätte nie gedacht, dass ich mal so gut höre mit dem Ci. Nach wie vor, nach mehr als 6 Jahren höre ich viel Hörbücher und Podcasts nur übers CI.
    Lass dir von den Fachpersonen zeigen wie und mit welchen Apps du üben kannst. Hörtraining bei einer Fachperson habe ich nur ca. 3-4 Mal gemacht, danach habe ich selber geübt und vieles dabei gelernt.

    li normal hörend

    re taub nach chronischen MOE im Kindesalter, Cochlear N6/N8 OP 8.2.18 EA am 8.3.18

  • Kermitlady das dacht ich mir schon, mit der Überforderung. Das habe ich jetzt schon häufig, wenn es mir am Tag zuviel wird. Mein Hörgerät auf der linken Seite habe ich ja auch noch nicht so lange bzw. das Ohr ist es ja auch gar nicht gewöhnt soviel zu hören. Das muss es ja erst, seit mein gutes Ohr ertaubt ist. Da mag ich oft abends gar nichts mehr hören :( und mein Tinnitus auf der tauben Seite kommt dann noch obendrauf.

    Aber so wie du es formulierst nehme ich es auch: es ist ein Warnsignal des Körpers. Ein Stoppschild. Dann weiß ich eindeutig: jetzt ist genug.

    AnniB und Nikita dann passt das ja doch so wie ich es mir vorgestellt habe. Klingt nach ordentlich Arbeit 8|. Dann werde ich mal zusehen, dass ich mir meine Routinen einbaue. Zurzeit höre ich auch viele Podcasts, wenn ich unterwegs bin. Das kann ich ja dann weiterhin und nur über das CI machen. Ist ja schonmal keine Extra-Zeit.

    Wie ich festgestellt habe, bin ich AHLerin. Sprich, ich habe den "Vorteil", dass ich mein Hörgerät auf der Gegenseite ausschalten/ rausnehmen kann, um mein Hören so weitestgehend auf das CI-Ohr zu verlagern.

    Unser Körper ist ein Wunder <3.

  • Es reicht, wenn Du nur das Hörgerät ausschaltest, zwischendurch.

    Wie gut hörst Du mit dem Hörgerät?
    Damit meine ich jetzt nicht das Verstehen an sich, oder ob Du noch das Vögelchen in zig km Entfernung noch wahrnimmst, sondern, ob alles recht gut, für Dich wie gewohnt, normal klingt?

    Wenn ja, würde ich an Deiner Stelle zwischendurch auch mal ein wenig zweigleisig fahren. Gerade, weil das Hören mit dem HG alleine Dich ermüdet. Dann ist, selbst wenn es anfangs noch etwas unnatürlich klingen mag, das parallele Hören mit dem CI zusammen trotzdem erst einmal eine Art Erleichterung.

    Und Deine "natürliche" Seite kann dafür sorgen, daß auch die CI Seite sich ein wenig anpaßt, was den Klang und so betrifft.
    Dann mal nur mit dem CI lauschen, versuchen etwas zu erkennen. Wenn was nicht herausgehört werden kann, kurz mit der HG Seite "gegenprüfen", mitlauschen, und dann wieder HG aus und nur mit dem CI hören.


    Anfangs vielleicht noch nicht zu viel machen, sondern schauen, daß Du im Alltag eventuell weniger müde wirst, weil Stereohören auf jeden Fall für den Körper eine Entlastung ist.


    Hörbücher und Co sind für Hörtraining sicherlich nicht schlecht!
    Aber ich würde das Training trotzdem auch ein wenig der Hörleistung anpassen wollen, denn sonst ist der Frust viel zu groß und man macht erst recht nicht mehr weiter.
    Sollte man am Anfang mit dem Verstehen Schwierigkeiten haben, dann könnte man ja einen Menschen ein Wort (Mund dabei entweder verdecken, oder als CI Träger die Augen zu machen, nicht hinschauen) sagen lassen, und zwar immer wieder, und dann versuchen, DAS zu verstehen. Kann ja beliebiges Wort sein, eventuell aus der Zeitung, oder Buch, Zeitschrift oder so spontan vorgelesen.
    Klappt einzelne zufällig gewählte Worte immer besser, kann man sich an einem kompletten Satz versuchen. Und ist dies auch kein Thema mehr, kann man sich an einem Hörbuch und Co wagen.

    Schönen Gruß

    Sheltie

    schon als Kind Hörgeräteträger, bis zum Hörsturz 2005
    rechts: CI422(SRA), N6, Okt 2015

    links: CI522, N6, Nov 2017

    Meine Story: Das Sheltie hat nun auch ein eOhr

  • Ich habe anfangs eine meiner Lieblings Playlist über das Handy gestreamt und versucht zu erkennen welches Lied es ist. Ausserdem übe ich mit der App Schallquelle, höre Hörbücher und langsam gesprochene Nachrichten. Ich versuche jeden Tag mindestens 10-15 Minuten zu üben. Klappt nicht immer aber meistens. Ich bin SSD und habe anfangs mein gesundes Ohr ab und zu mit einem Inear Kopfhörer mit Rauschen vertäubt. Mittlerweile mache ich das nicht mehr. Ich versuche im normalen Alltag so oft wie möglich ganz bewusst mich auf das was im CI ankommt zu konzentrieren. Mein Arbeitsalltag ist oft mehr als genug Hörtraining.

  • Wow, vielen Dank Euch für die vielen Tipps. Damit kann ich sicher ordentlich was anfangen!

    Sheltie Das Hörgerät habe ich jetzt zum Glück schon seit 2 Monaten und mich super dran gewöhnt, sodass ich es mittlerweile als sehr normales Hören empfinde.

    Und ja, das ist meine große Hoffnung, dass mich das Stereohören wieder mehr von der Müdigkeit wegbringt. Es machte ja schon einen Riesenunterschied als ich endlich das Hörgerät hatte. Die Zeit, die ich vorher halbtaub und schwerhörig durch die Gegend lief, hätte ich eigentlich nur noch schlafen können. Nun merke ich aber an einigen Tage, das auch mit Hörgerät noch Luft nach oben ist, weil mein schwerhöriges Ohr sich noch immer daran gewöhnen muss, die normale Lautstärke zu hören (und es trägt ja auch gerade die komplette "Hörlast").

    Da kann ich ja auch meine Familie gut mit einbinden, wenn es um das Sprachverstehen geht. Meine Kinder haben da sicher Spaß dran ^^.

    Unser Körper ist ein Wunder <3.

  • Es ist eine Herausforderung im Alltag, die du bestimmt hinbekommst. Du bist schon weit gekommen.

    Die Kinder mit einbinden hat hier bei mir Zuhause auch für ein besseres Verständnis gesorgt. Bei Flüsterspielen verliere ich bisher. Mit meinen zweien haben wir altersgerechte Methoden etabliert. Meine Tochter (2) hat Kopfhörer, an denen ich z.b. das Minimic anschließen kann und dann sage ich ihr, was ich auf dem CI höre und sie sagt mir, was sie hört z.B. Früchte in OLCIT. Dabei wird viel gelacht.

    Mein Sohn (7) lernt Lesen. Bekommt eine Liste mit Einsilbern und das Minimic in sein Zimmer und ließt mit großer Freude vor. Dann schreibe ich die Wörter, die ich gehört habe auf und wir vergleichen. Dabei kann er dann auch noch Lehrer sein : D

    Wir machen das natürlich nicht jeden Tag. Einfach je nachdem, wie motiviert sie sind. Alles andere wâre Quatsch.

    Viel Erfolg und Freude bei diesem Marathon .

  • Ich habe nun seit 11 Tagen meine "Außenteile" und es ist nach wie vor sehr spannend. Die Erstanpassung lief grandios und ich war sehr überrascht, dass ich alles verstanden habe, als man mit mir gesprochen hat! Es ist zwar mit viel Konzentration verbunden und wir waren ja auch in einem schalldichten Raum (also keine Störgeräusche), aber trotzdem ist es über die Maßen mehr als ich erwartet hätte.

    Seither versuche ich viel beim Üben zu varieren. Das Audiostream-Zubehör wird ja erst in der Reha nächste Woche angeschlossen, bis dahin geht es so und das ist auch in Ordnung. Fast täglich vertäube ich das Ohr etwa eine halbe Stunde, mehr führt zur Überforderung. Es gibt Tage, da geht mehr, an anderen weniger. Gestern z.B. dachte ich, es stimmt was nicht mit der Technik, um dann festzustellen, dass mein Tinnitus plötzlich sehr laut war :huh:. Dafür habe ich eindeutig gehört, dass ich über Gras gehe :love:, mein Mann hört sich mehr und mehr an wie "mein Mann", Wasserplätschern ist nicht mehr nur ein scharfes Knallen.

    Und meine Kinder machen das auch ganz toll mit, ich kann mich nicht beklagen.

    Spannend auch, wenn andere fragen, wie das Hören nun so ist mit dem CI. Viele glauben ja, man versteht direkt alles - woher sollen sie es auch wissen. Ich erkläre dann, dass ich höre, aber eben bisher nur wenig verstehe (man ist ja selten allein in einem ruhigen Raum :P).

    Und ich merke, auch wenn ich natürlich nicht den ganzen Tag bewusst trainiere, dass ich abends echt platt bin, allein, weil ich den Prozessor ja konsequent von morgens bis abends trage. Auch damit muss ich mich erstmal wieder arrangieren. Gleichzeitig ist es schon ohne großartiges Verstehen, mit all den seltsamen Höreindrücken soviel besser mit als ohne Prozessor, weil die Geräusche auf beide Ohren gehen und wieder eine Art Raumgefühl entsteht.

    Also, ich bin losgelaufen und bleibe auf der Strecke, egal wie lang der Marathon sein wird 8).

    Unser Körper ist ein Wunder <3.