Hallo liebe CI-Gemeinschaft,
Vor 17 Tagen fand meine Erstanpassung mit dem Sonnet 2 statt und ich möchte nun die letzten 2 Wochen Revue passieren lassen.
Bevor alles losging, musste ich noch einmal zum Hörtest um abzuklären, ob und wie viel Restgehör vorhanden ist. Dabei kamen folgende Werte heraus:
125Hz: 35dB
250Hz: 70dB
500Hz: 90dB
1000kHz: 110dB
1500kHz: 120dB
Ab 2000kHz keine Werte mehr messbar. Nun, ich hatte mit 0 Restgehör gerechnet, schließlich hatte ich mich ganz bewusst für die längste Elektrode entschieden. Schauen wir mal, wie lange die Werte so bleiben...
Am 19.12.2022 8.30 Uhr war es soweit - der große Rucksack offenbarte meinen schwarz-roten SP und das erste Mal seit mehr als 20 Jahren würde ich nun hohe Töne hören. Dass diese nicht schön sein und jeglicher Klang nahezu verfälscht sein wird, war mir bewusst und dennoch freute ich mich, dem rechten Ohr nun wieder eine Aufgabe zu geben. Die Vorfreude war riesig, also Gerät an den Techniker-PC angeschlossen, Magnet an den Kopf und los... Trotz absoluter Stille rauschte, pfiff und kreischte es, was gleichzeitig auch den Tränen freien Lauf ließ. Es waren keine Tränen der Freude, sondern der Schmerzen, der Überforderung und auch der Enttäuschung. Zu letzterem komme ich im letzten Abschnitt nochmal.
Doch ich lies mich nicht entmutigen, hielt mir immer wieder das Gesicht meines geliebten Opas vor Augen, der 2 künstliche Kniegelenke hatte und sich durch die Schmerzen kämpfte, bis er wieder schmerzfrei wandern konnte. So startete ich meine ersten Therapiestunden. Zunächst sollte ich Silben von gesprochenen Wörtern zählen, was sehr zuverlässig klappte - doch ich hörte alles in Form von monotonen Morsezeichen, sodass ich die Therapeutin fragte, ob denn da wirklich einer spricht 😅 es war zu diesem Zeitpunkt keine Sprache für mich erkennbar. Am Nachmittag ging es bereits zur ersten Musiktherapie, in der ich Tonhöhen voneinander unterscheiden musste. Das klappte ganz gut in Form von "Der Ton ist höher/tiefer als der davor".
Für den Tag war die Therapie beendet und ich restlos erschlagen. Permanent summte und pfiff es im Ohr, selbst wenn absolute stille mich umgab. Ich wusste, ich muss da durch, irgendwann wird es besser, doch am späten Nachmittag resignierte ich und legte unter Tränen den SP ab. Eine Stunde später sammelte ich mich nochmal und setzte ihn wieder auf - wieder umgeben von einer Geräuschkulisse, die ich eine Stunde lang nicht vermisst habe. Doch - nach ca 2 weiteren Stunden war Ruhe... Das Konzert war zu Ende. Vorsichtig prüfte ich die Anwesenheit des SP und den korrekten Sitz - alles da. Fernseher an - Konzert im Ohr an. Fernseher aus - Konzert aus. Erleichterung machte sich breit.
Am zweiten Tag ging es zu weiteren Therapien, deren Ergebnisse nahezu unverändert zum ersten Tag waren, doch gegen Mittag schlich sich ein weit entfernter undeutlich sprechender Roboter, der von Darth Vader abstammt, unter die Morsezeichen, was für großes Gelächter meinerseits sorgte - es klang einfach zu komisch.
In der darauffolgenden Sitzung durfte jeder CI-Neuling ein Wunschlied äußern. Wie erwartet kam hier nichts brauchbares raus, im Gegenteil. Es war so furchtbar, dass ich Musik für die nächsten Monate abgeschrieben habe.
Mittag ging es wieder zum Techniker und für den Rest des Tages fühlte ich mich, als hätte man mich auf einer Streckbank direkt um 50cm größer ziehen wollen. Ich hatte es satt, wollte nichts mehr über CIs wissen und habe unter Tränen geflucht. Doch irgendwas in mir sorgte dafür, dass ich, im Gegensatz zum Vortag, bis zum Schlafengehen den SP nicht ablegte...
Mittwoch, 21.12.2022 ca. 10.20 Uhr: ich befinde mich in einer Therapiesitzung zur Unterscheidung von Sprache, Geräusch, Musik. Es wird ein Satz gesagt und plötzlich ertönt in scheuslicher Roboter Stimme das Wort "Augenkontakt". Ich habe lange gebraucht um zu realisieren, dass ich da gerade wirklich ein Wort verstanden habe, doch vergessen werde ich dieses Wort nie. Am Geburtstag meiner geliebten Oma, zu der ich eine halbe Stunde vorher noch gebetet habe, so ein großer Lichtblick - und der Beginn einer zarten Freundschaft zwischen dem Sonnet und lajoli...
Ab diesem Moment ging es bergauf, keine dauerhaften Geräusche mehr, sondern Ruhe, wenn Ruhe ist und Töne, wenn Töne sind.
Abgesehen von absoluter Erschöpfung am Ende der Woche bin ich mit einem lächeln nach hause gefahren.
Am letzten Tag fand nochmal eine Einstellung statt, bei der ich einen sehr großen Sprung nach oben gemacht habe, die Umstellung für mich jedoch problemlos stattfand.
Nun kann ich es kaum erwarten, dass Ende Januar ist und wieder nachjustiert wird.
Einen für mich sehr emotionalen Moment gab es gestern.
Ich testete vor 3 Tagen nochmal mein Lieblingslied - es klang besser als in der Reha, aber schön war was anderes.
Gestern weckte mich die Neugier noch einmal - und gefühlt habe ich einen Quantensprung erlebt. So gut wie gestern habe ich seit Jahren auf dem rechten Ohr kein Lied mehr gehört! Auch wenn noch sehr viel Luft nach oben ist, so war dies der Moment von ganz vielen Freudentränen und auch stolz mischte sich mit unter, es nicht aufgegeben und nochmal probiert zu haben.
Ich möchte noch kurz auf die Enttäuschung zu Beginn der EA eingehen: mir war bewusst, dass ich mit keinerlei Erwartungen reingehen muss. Ich hatte auch keine Vorstellung davon, was mich erwarten würde.
Doch was ich wusste, dass ich bis zur letzten Minute immer "irgendwas" gehört habe, also nie ganz taub war. Demzufolge ging ich davon aus, darauf aufbauen zu können, sprich nicht bei 0 anzufangen, sondern bei 5.
Doch was ich erlebte, war weder eine 5 noch eine 0 - es war eine gefühlte -100. Die Therapeuten überraschte dies nicht, sie stellten mich direkt mit einem ertaubten Menschen gleich. Damit habe ich mit keiner Silbe gerechnet, was zu der Enttäuschung führte.
Doch heute sage ich: sagt mir, wann der nächste Termin frei ist und implantiert links (dazu höre ich noch nicht gut genug mit dem CI, aber ich würde mich immer wieder für eins entscheiden).
In diesem Sinne: bleibt optimistisch!
Danke fürs Lesen und liebe Grüße
Steffi