Dienstunfähigkeit?

  • Hallo zusammen,

    vor ein paar Tagen habe ich völlig überraschend ein Schreiben erhalten, das mir eine Versetzung in den Ruhestand ankündigt. Man scheint in unserem zuständigen Landesschulamt der Ansicht zu sein, dass ein einseitiger Hörverlust ebenso wie das Tragen eines Cochleaimplantats (die dazugehörige OP soll im Januar stattfinden) unweigerlich dazu führt, dass man als Lehrkraft auf jeden Fall langfristig dienstunfähig ist.

    Ich habe hier im Forum bereits mitgelesen, dass es hier durchaus auch Lehrkräfte mit CI gibt, die weiterhin unterrichten. Gibt es evt. Zahlen über unterrichtende Lehrkräfte mit Hörverlust oder Erfahrungsberichte, die ich dem Amtsarzt und dem Landesschulamt vorlegen kann, um eine drohende Zwangspensionierung abzuwenden? Ich schätze meinen Beruf und möchte ihn auf jeden Fall noch etliche Jahre ausüben! Abgesehen vom einseitigen Hörverlust habe ich keinerlei gesundheitliche Probleme.

    Über Argumente oder Hinweise würde ich mich sehr freuen!

    Viele Grüße,

    Soelba

    links: ehemals an Taubheit grenzend, OP am 10.1.23, EA am 26.1.23 mit Rondo 3

    rechts: normal hörend

  • Das finde ich schon sehr krass. Ich bin nicht im Schuldienst. Als Trainer im Sport und der Weiterbildung war ich jedoch auch tätig und stand so vor großen Gruppen. Sicher nicht einfach aber durchaus händelbar.

    Magst Du das Bundesland verraten?

  • Soelba

    Ich würde an Deiner Stelle zuerst einmal einen Termin bei der für die Sache zuständigen Person beim Landesschulamt besorgen, um dann in einem persönlichen Gespräch die Hintergründe herauszufinden und sich einen Eindruck zu verschaffen, wie ernst es Ihnen mit der Ruhestandsankündigung ist. Vielleicht haben Sie falsche Vorstellungen von einem einseitigen CI und wie es dann bei Dir funktionieren wird.

    Schriftliche Dokumente von den behandelnden Fachärzten mit Prognosen zum einseitigen CI allgemein, und nach der OP auch in Deinem speziellen Fall, sind hilfreiche Argumentationsgrundlagen gegenüber dem Amtsarzt und dem Landesschulamt.

    Sollten sich die Entscheidungsträger dort auf ihre Entscheidung versteifen, obwohl auf sachlicher Basis nichts gegen eine Weiterbeschäftigung als Lehrkraft sprechen würde, ist ein Gang zu einem Anwalt mit Spezialgebiet Arbeitsrecht Beamtenrecht eine sinnvolle Überlegung.

    Einmal editiert, zuletzt von Audi (30. November 2022 um 23:55)

  • Als ich nach der Implantation nicht direkt wieder in der Schule war, drohte man mir auch, ich glaube nach vier Monaten, den Besuch beim Amtsarzt an. Ich hatte mich dann beim BAD erkundigt und dort sagte man mir, dass niemand in den Ruhestand versetzt wird, der das nicht möchte. Ich habe dann aber bei weiteren Recherchen auch herausgefunden, dass man auch für eine begrenzte Zeit dienstunfähig geschrieben werden kann, also für ein Jahr oder für zwei Jahre und dass man sich dann wieder „vorführt“. Ich würde in jedem Fall mit dem Schwerbehindertenbeauftragten Kontakt aufnehmen und mich auch dort beraten lassen. Irgendwelche Daten-Erhebungen gibt es glaube ich nicht.

    Aus eigener Erfahrung kann ich nur darauf hinweisen, dass man nach der OP eigentlich in den Stand versetzt wird, wieder arbeiten zu können.

    einseitig ehemals an Taubheit grenzend, Implantation am 20.9.19, EA am 24.10.19, Nucleus 7 von Cochlear

    das andere Ohr ist normalhörend

  • Hallo,

    Der Dienstherr handelt gemäß den Bestimmungen von $43 NBG und $ 26f BeamtStG. Du warst jetzt offensichtlich ein halbes Jahr lang krank geschrieben. Insofern ist der Vorgang ziemlich normal. So flott schreibt der Amtsarzt einen auch nicht dienstunfähig, vor allen dann nicht, wenn man noch eine Therapieoption offen hat.

    Ich würde daher dem Amtsarzt die Berichte aus der HNO vorlegen und fertig. Evtl. kannst Du sogar den Besuch beim Amtsarzt bis nach der OP hinaus zögern. Bist Du in der Gewerkschaft?

    Gruß Andrea, ebenfalls nieders. Beamtin, ( im technischen Dienst)

  • Da ich darauf hinweisen wollte, dass etwaige Streitigkeiten vor dem Verwaltungsgerichtbarkeit und nicht vor Arbeitsgerichten ausgefochten werden, habe ich das ganz bewusst so geschrieben. Im Moment würde ich aber noch nicht in einen Anwalt investieren, sondern abwarten bzw. sich bei der Gewerkschaft beraten lassen.

  • Vielen Dank für die hilfreichen Tipps, insbesondere auch Annis link. Das Problem liegt im Gutachten des Amtsarztes. Ich bin keineswegs ein halbes Jahr krankgeschrieben gewesen, sondern lediglich von Ende April bis Ende Juli. Im August habe ich eine Wiedereingliederung begonnen, die bislang völlig nach Plan läuft. Das einseitige Hören hat sich nach meiner eigenen Wahrnehmung deutlich stabilisiert und ich komme zunehmend besser mit dem Unterrichten zurecht. Selbst im Zustand einseitiger Taubheit (das wäre ja der "worst case" nach CI) gehe ich nicht davon aus, längerfristig dienstunfähig zu sein. Im November stand dann der Termin beim Amtsarzt an, in dem ich erklärt habe, dass ich auf einen CI-OP warte, woraufhin er mich - beginnend ab jetzt - gleich für ein ganzes Jahr lang als nur begrenzt dienstfähig (im Umfang von 6 Unterrichtsstunden) eingestuft hat. Dieses Gutachten hat die Behörde auf den Plan gerufen, weil laut Gutachten keine Aussicht besteht, dass innerhalb weiterer sechs Monate die Dienstfähigkeit wieder voll hergestellt ist.
    Ich bin in das Gespräch mit dem Amtsarzt leider unvorbereitet hineingegangen und hatte das Thema Zwangspensionierung überhaupt nicht auf dem Schirm, da es für mich nun vor allem darum ging, möglichst zügig einen OP-Termin zu erhalten.

    Die Frage ist, ob die OP nicht eine neue Maßnahme ist, nach der die sechs Monate wieder neu gerechnet werden müssten. Idealerweise würde sich eine erneute Wiedereingliederung anschließen. Perspektivisch gehe ich davon aus, dass ich zum Herbst nächsten Jahres auf jeden Fall wieder begrenzt dienstfähig mit mindestens halber Stundenzahl sein werde.

    Ich war mittlerweile bereits tätig, habe eine positive Stellungnahme meiner Schulleiterin in die Wege geleitet (die genauso überrascht war wie ich) und Termine bei Fachärzten gemacht, die die langfristig positive Prognose hoffentlich bestätigen werden.

    Nun werde ich erst einmal eine eigene Stellungnahme abgeben und hoffe, dass das zusammen mit den Gutachten ausreicht, um die Frühpensionierung erst einmal abzuwenden. Falls das nicht glücken sollte, werde ich mir anwaltliche Unterstützung holen. (Danke hier für präzise Unterscheidung zwischen Verwaltungs- und Beamtenrecht!). Glücklicherweise bin ich Mitglied im Philologenverband, der mir im Fall der Fälle vermutlich juristischen Beistand gewähren würde.

    Noch eine Frage: Momentan habe ich keinen GdB. Kann ich mich trotzdem an den Schwerbehindertenbeauftragten wenden?

    links: ehemals an Taubheit grenzend, OP am 10.1.23, EA am 26.1.23 mit Rondo 3

    rechts: normal hörend

    Einmal editiert, zuletzt von Soelba (1. Dezember 2022 um 11:01)

  • Sobald du einen Antrag auf Feststellung eines GdBs stellst, bist du (bis zur Feststellung) in diesem Status und kannst daher auch auf den/die SB-Vertretung zugehen. So war es jedenfalls bei mir in SH.

    Ich habe nun einen GdB 40 und durch die Agentur für Arbeit eine Gleichstellung mit GdB 50. Dienlich ist, den Antrag mit Unterstützung des/der SB-Vertretung oder einem Sozialverband zu stellen, dass sie die ausschlaggebenden Formulierungen kennen und du vielleicht sonst etwas vergisst zu erwähnen.

    Linksseitig nach AN-Operation 2017 vollständig taub, rechts normalhörend, bisher ohne jede Versorgung

  • Danke, Nora. Das hilft mir weiter! Ich werde den Antrag auf Feststellung eines GdBs rasch auf den Weg bringen und werde dann sehen, ob ich auf 30% komme.

    links: ehemals an Taubheit grenzend, OP am 10.1.23, EA am 26.1.23 mit Rondo 3

    rechts: normal hörend

  • Hallo Soelba,

    Du warst schon mal beim Amtsarzt. Hat man Dich denn in der Ladung zum Termin nicht darauf hingewiesen, dass es um die Prüfung der Dienstfähigkeit geht?

    Ungewöhnlich finde ich auch, dass Du bereits in der Wiedereingliederung warst, als man Dich zum Amtsarzt zitiert hat.

    Das CI ist eigentlich auch keine neue Maßnahme, sondern das wird aufgrund der Ertaubung notwendig.

    Bei einseitiger Taubheit mit normalhörigen Gegenohr gibt es laut den versorgungsmedizinische Grundsätzen nur einen GdB von 20 und damit kann man nicht gleichgestellt werden. Trotzdem würde ich einen Antrag stellen, in der Hoffnung einen Sachbearbeiter zu finden, der nicht so genau hinschaut.

  • Hallo Andrea,

    ich bin davon ausgegangen, dass der Amtsarzt den Wiedereingliederungsplan billigen und eine positive Prognose für die Zukunft abgeben muss und habe das als reine Formsache gesehen, da ja alles erfolgreich lief. Von einer drohenden Frühpensionierung war nie die Rede. Die Wiedereingliederung war ursprünglich als Eingewöhnungsphase für eine Hörgeräteanpassung gedacht und wurde dann aber leider zur Anpassung an einseitige Taubheit.

    Den GdB von 20 finde ich für die massiven Einschränkungen, die ich im Alltag habe, zu tief angesetzt. Bei mir kommt ein starker einseitiger Tinnitus hinzu und so hoffe ich auf eine Aufstockung.

    Mein Versuch, die beiden Vorgänge Ertaubung und Cochleaimplantat voneinander zu trennen, zielte darauf ab, nach der OP nochmals eine Wiedereingliederung durchlaufen zu können. Es ist auch nicht meine Schuld, dass ich fast ein halbes Jahr auf einen OP-Termin warten muss. Bis jetzt habe ich lediglich eine mündliche Zusage der Sekretärin und warte noch immer auf den Kostenvoranschlag der Klinik, um ihn an Beihilfe und PV weiterzuleiten.

    links: ehemals an Taubheit grenzend, OP am 10.1.23, EA am 26.1.23 mit Rondo 3

    rechts: normal hörend

  • Wenn du im Januar implantiert wirst, kann ich mir vorstellen, dass du früher als Herbst und auch nicht „nur“ mit halber Stundenzahl.

    einseitig ehemals an Taubheit grenzend, Implantation am 20.9.19, EA am 24.10.19, Nucleus 7 von Cochlear

    das andere Ohr ist normalhörend

  • Hallo,

    Die Versorgungsmedizinische Verordnung nimmt leider keine Rücksicht auf Empfindungen, und da steht leider schwarz auf weiß ein GdB von 20 bei normalhörenden Gegenohr.

    Der Rest ist doch einigermaßen verblüffend, dass jemand der noch nicht austherapiert ist, so sang- und klanglos für teilweise DuU erklärt wird. Sonst warten die Damen und Herren Amtsärzte ja gerne zu lange mit der DU.

    Wenn in der Einladung des Amtsarzt tatsächlich nicht " zur Überprüfung der Dienstfähigkeit " oder eine vergleichbare Formulierung drin stand, wäre das m.W. ein Punkt, der den Amtsarzttermin angreifbar macht. Das solltest du mit dem Rechtsbeistand zu gegebener Zeit ansprechen.

    An welchem Punkt bist Du denn? Bist Du noch in der Anhörung oder wurde die Zurruhesetzung schon erlassen?

  • Momentan geht es erst einmal um die Anhörung und ich hoffe sehr, dass ich den Beschluss noch abwenden kann. Mittlerweile habe ich einige Personen (Schulleitung, Personalrat, HNO-Arzt) gefunden, die meinen Standpunkt unterstützen, und so bin ich verhalten zuversichtlich, dass es eigentlich in Zeiten von akutem Lehrermangel wenig zielführend erscheint, motivierte Lehrkräfte mit Anfang 50 in den endgültigen Ruhestand zu verabschieden.

    Außerdem habe ich endlich von der Klinik eine OP-Termin für Januar erhalten und damit auch wieder ein Stück mehr Planungssicherheit.

    Dank an alle, die hier Aspekte mitdenken, auf die ich alleine nicht gekommen wäre!

    links: ehemals an Taubheit grenzend, OP am 10.1.23, EA am 26.1.23 mit Rondo 3

    rechts: normal hörend