- "Besser ein Ohr weg als ein Auge weg"
- "sei froh, dass du nicht blind bist"
Ich finde diese Ansicht von Normalhörende immer sehr interessant!
Als Schwerhörige hatte ich damals allerdings auch immer selbst geglaubt, daß es besser ist "nur" schwerhörig zu sein, als blind.
Eine blinde Bekannte, die uns ab und an mal besucht hatte, hatte MICH immer bedauert. "Das arme Kind, schwerhörig! Gut, daß ich blind bin, ich bin viel besser dran" - das waren ihre Worte.
Irgendwann, als Jugendliche, hatte ich mal einen Spruch gelesen, keine Ahnung von wem. Ich gebe den mal sinngemäß wieder. Der lautete:
Wenn man blind ist, dann trennt es einen nur von den Dingen.
Wenn man taub ist, dann trennt es einen von anderen Menschen.
Darüber habe ich viel nachgedacht. Hatte ja noch die inzwischen verstorbene blinde Bekannte vor Augen, die ja in der festen Überzeugung gewesen war, daß ICH bedauernswerter war, als sie.
Ich konnte mir, als lebhaftes Kind, welches gerne in die Natur gerannt ist, Fußball gespielt, Tiere beobachtet, und natürlich auch gerne TV geschaut hatte, einfach nicht vorstellen, diese ganze Dineg zu vermissen. DAS hatte ich als total schlimm empfunden, all das nicht (mehr) sehen zu können. Klar, ich hörte schlecht, aber, ich hörte ja noch was. Ich konnte ja noch bißchen mitreden, wenn mit mir jemand gesprochen hatte.
Aber, wenn man es genau nimmt, sind anscheinend die Blinde viel besser in der "normalen" Welt integriert, als wir. Sie hören ja alles, können korrekt und schnell antworten, stören nicht fremde Unterhaltungen, sind in der Lage, ihren Gesprächspartner, oder denjenigen, der sie angesprochen hatte, perfekt orten, können, bis auf Sehen, quasi alles normal nutzen, auch Telefonieren. Sie hören fern, nutzen sogar Computer.
Ja, der Spruch stimmt schon!
Liest man hier ja auch immer wieder. Wir Hörgeschädigten brauchen mal eine "Auszeit vom Hören", gerade, weil es uns anstrengt. Wir sind oft müde, wir vermeiden große Ansammlungen, oder laute Umgebungen als mögliche Treffpunkte.
Besonders dann, wenn wir noch nicht optional versorgt sind, oder unsere Hörbehinderung wieder mal etwas schlechter geworden ist!
„ Es gibt ja so tolle unsichtbare HG“.😬
Wobei diese Geräte ja eher was für Normalhörende sind, die jetzt so langsam im Alter etwas schlechter hören.
Für, ähm - sagen wir mal "echte" Schwerhörige waren diese Geräte ja noch nie eine Option gewesen, ganz einfach, weil die Leistung nicht mal ansatzweise für unsere Hörbehinderung ausgereicht hätte.
Und meist sind ja die Leute, die noch nie was gehabt hatten, also sehr gut hören und sehen können, auch etwas eitel, und wollen auch keine Geräte haben, die deutlich sichtbar zeigen, daß jemand eine leichte Hörschwäche, oder gar Sehschwäche bekommen hat.
Lustigerweise fallen die Hörgeräte nicht so schnell auf, wie Brillen. DIE fallen echt sofort auf!
Aber auch da gibt es eine Möglichkeit, kein sogenanntes "Nasenfahrrad" tragen zu müssen, die Option, die beginnende Sehschwäche mit Kontaktlinsen zu "verstecken".
Sicherlich sieht ein Mensch, den man vorab nie mit irgendwelchen Hilfsmitteln gesehen hat, im ersten Moment etwas gewöhnungsbedürftig aus. Und das mal da Nachfragen, oder Sprüche kommen, ist wohl auch "normal".
Manchmal habe ich schon den Eindruck, daß die Akzeptanz, nicht nur beim Betroffenen selbst, sondern auch der unmittelbaren Umgebung der Betroffenen etwas größer sein dürfte. Man sollte sich freuen, daß es so etwas gibt, und es einem hilft. Mit "Verstecken" der beginnenden Einschränkungen, auf dem Weg zur leichten Behinderung, in Form von ich trage grundsätzlich keine Brille oder ein Hörgerät, kommt man nicht weiter.
Denn dann treten eben die hier im Thread oben genannten Dinge auf. Das ist ein schlechender Prozeß.
Aber das wird halt auch nicht bewußt wahrgenommen, und auch von der Umgebung nicht als Zusammenhang erkannt. Wenn die Umgebung dann auch noch mit Sprüchen, wie "ach, stell dich mal nicht so an" reagiert, kann einem auch nicht geholfen werden, sondern dann fängt erst recht der Wunsch an, alles möglichst "verstecken" zu wollen.
Am ehesten können die Betroffenen wirklich erzählen, wie das Ganze so ist.
Aber auch da muß dann bei den Zuhörern, bzw. den im Ansatz Betroffenen eine Art Akzeptanz vorhanden sein, die Bereitschaft, sich auch mal darauf einzulassen, zu glauben, was die Leute da einem erzählen.
Gerade Hören und Sehen ist etwas, was einfach da ist, was unbewußt "benutzt" wird, was so in der Form auch nicht "vorstellbar" ist. Wie viel Instinkt, was noch in dem Menschen schlummert, wird einfach nicht genutzt, weil wir uns zu sehr auf Hören konzentrieren, und es gar nicht mal so wahrnehmen.
Das Hören passiert einfach so "automatisch", man muß nichts dafür tun, und bekommt so viel. Was da genau an "Arbeit" drin steckt, bekommt ja niemand mit. Daher ist dabei auch so leicht zu sagen, daß es nicht so schlimm ist, wenn man nur noch ein gutes Ohr hat. Eben, weil man nicht weiß, WAS da an "Arbeit" drin steckt.
Die Wahrnehmung fängt erst dann an, wenn es schon zu spät ist, nämlich, wenn sich das Hörvermögen, das Sehvermögen so langsam, oder sogar mit einem Schlag verabschiedet. Aber dann auch nur bei sich selbst! Darum steht man ja auch eher alleine da, ganz am Anfang. Bekannte Leute, ohne Probleme, können einem nicht wirklich helfen, und von Fremden, mit denen man bisher noch nicht zu tun gehabt hatte, nimmt man ungern Hilfe an.
Oft wird ja gerne alles mit einem "ach, bei mir ist es nicht so" abgetan.
Wie oft wird abgewunken, wenn es heißt, "der Fernseher / das Radio ist viel zu laut! Mach mal einen Hörtest." - oder "deine Nase klebt ja schon fast an der Zeitung / willst du das Buch nicht lieber an der Wand aufhängen, während du liest. Wie wäre es mit einem Sehtest?"
Da fehlt es schon an der Bereitschaft, auch mal zu glauben, was ein Familienangehöriger so sagt - bzw. man will es ja nicht wahrnehmen, daß es nun soweit ist, daß man etwas nicht mehr so gut kann, wie früher schon.
Ich erinnere mich noch, daß ich mal erzählt hatte, daß ich mittlerweile eine Brille brauche, wenn ich was lesen muß / möchte. Da hatte doch tatsächlich jemand behauptet, daß "man das Ganze ja einfach nur etwas mehr trainieren müßte. Wenn man seine Augen dazu zwingt, diese Buchstaben lesen zu müssen, dann wird es auch schon wieder klappen. Wer immer sofort eine Brille nimmt, der sorgt dafür, daß die Augen immer schwächer werden".
Das mag ja in einem gewissenen Maß vielleicht auch stimmen und es noch so funktionieren. Aber ab einem gewissenen Punkt braucht man wirklich eine Brille. Besonders dann, will man seine Augen nicht "kaputtmachen", oder durch eine plötzliche komische Haltung Spannungsschmerzen im Körper erhalten. Und jemand, der immer viel gelesen hatte, und genau weiß, wie gut und vor allem mühelos, und egal in welcher Haltung, man bisher immer alles lesen konnte, und merkt, was eben jetzt nicht mehr so einfach geht. Akzeptanz, eine Brille nun benutzen zu müssen, hilft da eher, als alles wegzuwischen und "trainieren" zu müssen.
Das große Hauptproblem ist halt einfach, daß solche Dinge einfach nicht sichtbar, und somit auch nicht vorstellbar sind.
Vergleiche, mit Watte in die Ohren stopfen, oder durch eine starke Erkältung mal dumpfen Druck auf die Ohren zu haben, reichen nicht aus, um nur ansatzweise was verstehen zu können, wie es WIRKLICH ist.
Wenn Ärzte nichts dazu sagen oder wissen, bleibt nur, dass wir selbst in unserem Umfeld aufklären. Ich habe meine Hausärztin heute gebeten, künftig bei anderen Patienten mit ständiger Müdigkeit/Erschöpfung unklarer Ursache eine Hörschädigung unbedingt anzusprechen.
Das ist echt toll!
Wenn die Ärztin das auch wirklich umsetzt, umso besser! (Manchmal wird das ja auch gerne wieder vergessen, aber nicht mit böser Absicht, einfach, weil man das nicht so wirklich als Nichtbetroffener nicht (mehr) auf dem Schirm hat)
Eben, weil Hören und auch Sehen irgendwie mit "automatisch" in Verbindung gebracht wird, wo man nichts bewußt macht, oder steuert, und trotzdem so viel mitbekommt, und es immer andere Dinge gibt, die wesentlich schlimmer sind, und eher auffallen, weil ja bewußt gesteuert wird.
Schönen Gruß
Sheltie