Umgang von Guthörenden mit eurer Hörbehinderung

  • Mir hat es sehr weh getan, zumal die Person kein HG oder CI trägt.

    Für mich unvorstellbar zu einem , den ich nach welcher Krankheit auch immer, so etwas an den Kopf haue.

    Ich bin auf einem Auge schwachsichtig. Treffe jemanden, der gerade ein Augenlicht komplett verloren hat. Ich würde ihn nie, niemals begrüßen mit dem Satz „ Willkommen im Club der Blinden.

    Aber natürlich war das für mich noch in der Zeit der absoluten Fassungslosigkeit.

    • Offizieller Beitrag

    Hallo,

    naja... wenn man auf einem Ohr taub ist, trägt man ja nicht zwangsläufig ein CI oder ein HG. Auch viele leicht- bis mittelgradig Schwerhörige tragen oft kein HG. Daher ist es gut möglich, dass derjenige schwerhörig ist / war.

    Ich selbst finde den Spruch auch nicht kränkend. Bekommt man ein CI wird nicht selten mit "Willkommen im Club der Blechohren" begrüsst.

    Was mir auffällt: diejenigen, die Probleme haben, ein Handicap für sich anzunehmen, haben oft Probleme mit dem Umgang anderer mit diesem Handicap. Diejenigen, die das Handicap angenommen haben, scheinen deutlich weniger Probleme zu haben.

    Vielleicht wäre es ratsam, in dieser akuten Situation "ich hab ein Handicap und muss es verarbeiten" professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen - denn nicht jeder Freund / Freundin kann dieses in adäquater Weise... nicht selten müssen diese das auch erst mal für sich selbst verarbeiten.

    • Offizieller Beitrag

    Natürlich nimmt ein Handicap keiner sofort und freudestrahlend an. Das braucht Zeit.

    Aber man kann ja den Annehmprozess durch prof. Hilfe begleiten und unterstützen.

    Eigentlich müssten Ärzte einen darauf aufmerksam machen oder Adressen direkt benennen - finde ich zumindest. Auch bei anderen Diagnosen sollte ein solches Gespräch initiiert werden... also nicht nur auf den Körper schauen, sondern auch aufs Seelenheil.

  • Verliert man ein Augenlicht, ist das Verständnis gleich da, dass man damit sicher erst einmal zu kämpfen haben wird,

    ich will niemanden ins Gewissen reden, aber kommentieren muss ich das doch:

    Denn ich verliere allmählich aber sicher die Fähigkeit des Sehens. Meine Frau weiß das, aber ihr fällt es schwer, dies zu akzeptieren. Sie kann meine zukünftigen Probleme nachvollziehen, aber ein Verständnis fehlt doch. Denn für sie bedeutet es in Zukunft Mehraufwand. Sie hat schon öfters damit gehadert, mich zu verlassen. Ich selbst komme mit meiner Situation gut zurecht und habe das auch nie zum Thema gemacht. Trotzdem wollen die gesunden Partner und Freunde nicht 24/7 Pflegepersonal spielen.

    Meine Frau ist da kein Einzelfall. Im Gegenteil, fast alle Partner an meinem Stammtisch für Betroffene ergeht es so. Man will die doch einschneidende Veränderung im Leben nicht wahrhaben und flüchtet als Partner oder Freund, weil man selbst davon ja nicht betroffen ist, so hart es auch klingt. Der eigene Wandel ist auch für die engsten Mitmenschen sehr schwer zu ertragen, das dürfen wir nicht vergessen!

    Anders ist es, wenn Probleme schon immer bestehen, wie in meinem Fall hochgradige Schwerhörigkeit. Das ist für mein Umfeld absolut kein Thema, sie kennen mich ja nicht anders. (Gut, CI wird jetzt auch neu hinzukommen, das sehe ich aber noch nicht kritisch, auch wenn es anfangs schwer werden wird).

    Links: Advanced Bionade 16:12:20 Ersatz von 15:01:21

    Rechts: Cocktail Mix 20:02:20 Ersatz von 11:03:20

    Genesung Op 2

    Die kognitive Potenz hat eine extraordinäre Relevanz für die Dialektik

    Oder anders ausgedrückt

    Der Unterschied zwischen Theorie und Praxis besteht darin, dass man durch Praxis einen außerordentlichen Musikgenuss erleben kann, der in der Theorie mancher Technikfanatiker überhaupt nicht möglich ist

    Lachs i. 2 fel

    Ein Leben ohne Musik ist wie ein wasserscheuer Fisch

  • Guten Morgen zusammen,

    ich glaube, der Umgang mit Menschen mit einem Handicap, in welcher Form auch immer, ist für Menschen insgesamt schwierig. Jeder Mensch reagiert anders und so besteht oftmals einfach nur eine große Verunsicherung. Ich glaube in den wenigsten Fällen ist dies bösartig gemeint.

    Meine Erfahrung ist die, dass ein kurzes freundliches klärendes Gespräch ohne Selbstmitleid der beste Weg für alle Beteiligten ist.

    Meine Familie kennt mich als schwerhörig, dass ich sogar an Taubheit grenzend schwerhörig bin/war, wußte ich selbst bis zu den VU nicht, weil mir in meiner Kindheit eine lediglich mittelgradige Schwerhörig vermittelt wurde.

    Nach der CI-OP habe ich rechts mein Gleichgewicht verloren- meine Freunde haben sich danach erstmal zurück gezogen. Erst als ich auf sie zu gegangen bin und erklärt habe, was nun los ist, konnten sie meine Ängste und Sorgen verstehen und haben mich dann auf dem Weg zurück ins Gleichgewicht geholfen. Ich lag damals komplett flach und musste quasi das Laufen erstmal wieder anfangen. Bei Dunkelheit und wenig Schlaf habe ich Probleme. Wenn diese auftreten sage ich nur kurz, dass mein Gleichgewicht wieder verrückt spielt und kann mich dann im Zweifel auch ohne weitere Kommentare zurück ziehen. Im Gegenteil, oft wird angeboten, mich nach Hause zu begleiten.

    Dasselbe ist auch der Umgang mit Störlärm. Wenn ein Programmwechsel auf einem Kanso nicht mehr ausreicht, gebe ich einen kurzen Wink und ziehe mich einfach mal kurz zurück und mache eine Hörpause. Weder bei Kollegen, noch bei Freunden erst recht in der Familie gibt es hier Probleme.

    Dienstlich stehen die Bürgermeisterin und mein Chef komplett zu mir und passen auf, dass auch die Dienstbesprechungen nicht zu anstrengend werden. Sie erinnern mich (und auch unsere Gesprächspartner) auch jedes Mal an mein Minimikrofon 😉 .

    Das kam nicht alles von jetzt auf gleich, es waren viele offene Gespräche nötig und ich selbst bin durch viele emotionale Höhen und Tiefen gegangen, ehe ich meine Situation (taub durch CI-OP, Akzeptanz der Schwerhörigkeit insgesamt, Verlust des Gleichgewichts rechts) akzeptiert habe.

    Mein Mann , der psychologische Dienst vom IFD sowie mir zwei wirklich gute Freunde gewordene CI-Träger haben mich auf diesem Weg begleitet, der für uns alle noch nicht zu Ende sein wird. Ich habe gelernt, die Situation auch mit einer Prise rheinischen Humors zu nehmen und fahre gut damit.

    LG SaSel

    Von Geburt an hochgradig schwerhörig beidseitig, im Laufe der Jahre an Taubheit grenzend schwerhörig beidseitig
    OP rechts am 31.05.2017 Uni Köln, EA am 17.07.2017, Cochlear Kanso
    links HG, zurzeit Resound Linx wegen Kompatibilität zu Cochlear

  • Ich kann Dani! nur zustimmen. Bei mir ist es ähnlich, dass zu der Hörbehinderung eine schleichende Verschlechterung des Sehens stattfindet. Und genau da liegt das Problem. Man kann langsam aber sicher Situationen nicht mehr alleine bewältigen, die man doch sonst immer konnte. Nach und nach ist man immer mehr auf Hilfe angewiesen, und das fällt dem Umfeld verständlicherweise schwer zu akzeptieren.

    Das CI ist sichtbar und ist ein eindeutiges Zeichen, dass da eine Schwierigkeit vorliegt. Da eine Brille in der Regel das schlechte Sehen gut ausgleicht ist es weitaus schwieriger zu erklären, dass es trotz Sehhilfe nicht möglich ist, angemessen zu sehen. Und wenn dann beide wichtigsten Sinne gleichzeitig betroffen sind ist die Situation nicht mehr damit abgetan, dass, wer schlecht hört ja den Sehsinn besser ausbildet und umgekehrt.

    Dani! hat es gut formuliert:

    Der eigene Wandel ist auch für die engsten Mitmenschen sehr schwer zu ertragen, das dürfen wir nicht vergessen!

    Und manchmal braucht es viel Kraft und Anstrengung, die sich verschlechternden Möglichkeiten anzunehmen und zu akzeptieren. Von beiden Seiten aus.

    rechts: CI, N6 von Cochlear seit 3/2016,

    reimplantiert 3/2019,

    Entfernung des Implantates aufgrund eines großräumigen Cholesteatoms 12/2021

    reimplantiert 3/2022, CI 622, N7 von Chochlear

    links: HG Omnia 4 von Resound

    Mein Motto: Hinfallen, aufstehen, Krönchen richten und weitergehen

  • Diese Kontroverse wird es meiner Meinung nach immer geben.

    Ich habe meinen Zustand zum Beispiel mittlerweile akzeptiert, denn ich persönlich kann nichts dafür. Nur den Umstand eben verbessern (durch die Zustimmung zum CI, durch Hörtraining etc.).

    An manchen Tagen habe ich null Einschränkungen durch meine Schwerhörigkeit und bin "normal", an anderen Tagen ecke ich überall an und falle mit meiner Schwerhörigkeit auf.

    Ich könnte in ein Loch fallen...

    Aber so geht es auch normal Hörenden! Menschen mit keinerlei Einschränkungen, Behinderungen, Defiziten...!

    Ich persönlich hasse es regelrecht in die Opferrolle gedrängt zu werden und auch, dass es ständig thematisiert wird wir müssen mehr Beachtung finden. Sorry, aber warum?

    Man sollte uns mehr Rechte zugestehen, mehr Zeit bei manchen Dingen, aber deswegen verlange ich z.b. nicht, dass ich überall alles einfordern kann.

    Wenn ein Partner, Freund/in, Umfeld kein Verständnis für die Situation hat, liegt es schlicht und ergreifend an dem Gegenüber, an der fehlenden Liebe, Bedeutung der Freundschaft etc. denke ich. In dem Fall sind es die fehlenden Organe (Ohr, Auge), aber wäre es etwas anderes wäre der Partner, Freund/in... sicherlich genauso abwertend gewesen. Oder nicht?

    Ich "schiebe" meine Schwerhörigkeit in Situationen vor, wo es ums Hören geht. Ich spreche offen darüber, dass es heute schlechter geht als gestern oder lasse es, wenn es einfach nicht passt.