Hallo Ihr Lieben,
nun komme ich endlich dazu, Euch von meinen ersten Höreindrücken zu berichten.
Meine Erwartungshaltung habe ich vor der OP bewußt niedrig gehalten. Es war sogar eher so, dass sich bei mir tiefe Zweifel vor der EA eingeschlichen haben, ob ich mit dieser Implantion bei einem geburtstauben Ohr den richtigen Weg eingeschlagen habe. Bei der EA selbst konnte ich keine Freuquenzen unterscheiden. Es war mehr eine Wahrnehmung von elektrischer Vibration. Ganz so gravierend hatte ich mir das nicht vorgestellt. Die erste Enttäuschung machte sich bei mir breit. Jedenfalls hatte ich den Termin fürs Hörtraining erst später, in der Zwischenzeit trug ich beide CIs. So war es auch von Anfang an mit den Therapeutin abgesprochen.
Dann kam das erste Hörtraining... Inzwischen wich die reine Wahrnehmung von elektrischer Vibration praktisch in einem tiefen Krächzen ohne Klang und Melodie. Die Therapeutin meinte nur, sie würde nur eine Übung bei mir durchführen, da mein Ohr zu untrainiert sei. Mein CI auf dem guthörenden CI-Ohr musste ich ablegen. Die Übungen mit den verschiedenen Wörtern und Zahlen lagen in Papierform vor mir. Meine Aufgabe war die Anzahl von mehrsilbigen Worten zu bestimmen. Das funktionierte einwandfrei. Ich war ganz freudig überrascht, dass ich trotz der wenigen verwertbaren, bzw. Höreindrücke auf einem sehr niedrigen Niveau, genügend Informationen zum Verarbeiten von Spracheindrücken an mein Hör-und Sprachzentrum ankamen. Daraufhin schlug die Thearpeutin doch vor, die Hörübungen fortzusetzen. Die nächste Stufe war die Differenzierung von langen und kurzen Vokalen (z.B. Masse - Maße). Auch diese Übung überstand ich prima. Eine Stufe weiter sollte ich in einer Reihe von Zahlen ( 21, 51, 71 und 91) die von der Therapeutin gesprochene Zahl ohne Lippenablesen und nur mit dem CI erkennen. Kaum zu glauben, aber es gelang mir zu 80 % die richtige Zahl zu benennen. Danach war es um mich geschehen. Die Emotionen überwältigten mich und die Tränen flossen. Das habe ich absolut nicht erwartet, dass ich diese spärlichen Informationen so auswerten kann. Sicherlich kommt mir zugute, dass ich als langjährige Schwerhörige eine gute Kombiniergabe habe.
Voller Elan machte ich mich neben der Arbeit daran, jeden Tag 1 bis 1 1/2 Stunden das alleinige Hören von meinen geburtstauben Ohr zu trainieren. Mein Ehrgeiz nahm übertriebene Ausmaße an.... Die Bescherung hatte ich bereits nach einer Woche. Ich bekam eine heftige Lungenentzündung, und lag dann vollkommen flach im Bett. Die meiste Zeit nahm ich beide CIs ab, da ich überwiegend nur schlief oder grauenvoll hustete. Die 2 Wochen mit der Lungenentzündugen gingen nahtlos in meinem Urlaub über, der ebenfalls 2 Wochen dauerte. Diese Zeit brauchte ich auch, um wieder vernünftig auf die Beine zu kommen. Danach bildete sich folgendes Phänomen, sobald ich nur mit meinem neu Implantierten Ohr höre, stellt sich auf der Gegenseite ein ganz lauter Tinnitus ein, der allerdings sofort aufhört, wenn ich wieder das CI anlege. Das hat eigentlich bewirkt, dass ich keine Hörübungen mehr mache. Bei meiner 1. Implantion vor 27 Jahren habe ich ebenfalls keine Hörübungen gemacht und bin trotzdem zum offenen Hörverstehen gekommen. Meine Übungen waren den Vorlesungen zu folgen und Mitschriebe zuerstellen. So mache ich es nun auch, dass ich mit beiden Ohren mich meinem Alltag hingebe. Trotzdem entwickelt sich die Hörfähigkeit immer weiter. Diese Woche hatte ich wieder eine Einstellung und Hörtest. Mittlerweile verstehe ich von Band gesprochene zweisilbigen Zahlen zu 25 % richtig und die meisten davon halbrichtig. Langsam höre ich auch die Geräusche auch so wie auf meinem guten CI-Ohr. Das habe ich alles nicht erwartet. Jedenfalls habe ich nun beschlossen, dass Weniger für mich Mehr bedeutet. Generell muss ich lernen, mich zu bremsen und nicht immer alles 100%ig lösen zu müssen. Das ist wie ein roter Faden in meinem Leben.
Jedenfalls bin ich trotzdem noch sehr gespannt darauf, wieviel ich aus diesem geburtstauben Ohr noch herausholen kann. Ich habe das Gefühl, dass ich immer mehr so mikrokleine Informationen richtig zuordenen kann, und dadurch entsteht in der Laufe der Zeit ein neuer Höreindruck oder Zuordnung. Wenn ich früher gewußt hätte, was mit diesem Ohr doch noch möglich ist, hätte ich mich viel eher implantieren lassen.
Ich wünsch Euch was!
Lieber Grüße
Karin