• Im anderen thread entflammte eine kleine Diskussion darüber, ob Patienten in / ab bestimmten Alter noch ein CI "zusteht".
    Dazu steht in der letzten Ausgabe des "Spektrum Hören" von DSB ein lesenswerter Artikel, "Cochlea- Implantation bei älteren Menschen?"
    Den will ich hier jetzt nicht kopieren, aber empfehlen. Es wird darin ganz vernünftig an das Thema dran gegangen, mit pro und kontra, und den Problemen, die ein älterer Mensch nun mal mit sich mitbringt- wie zum Beispiel nachlassendes Kurzzeitgedächtnis, dadurch weniger Durchhaltevermögen beim Üben, aber auch verminderte Flexibilität und Probleme beim Erreichen der Hörzentren zur Einstellung. Dazu kommt oft das natürlichste von der Welt, dass ein älterer Mensch bereits paar geriatrische und chronische Krankheiten hat, die eine Narkose und postoperative Zeit nicht gerade einfacher gestalten.
    In meiner Bad Nauheimer- Zeit gab es auch ein paar ältere Patienten, so ab 70 aufwärts. Bis auf eine Patientin, waren die, mit denen ich sprach, sehr zufrieden mit den Ergebnissen und froh, diese Entscheidung für ein CI getroffen zu haben. Die älteste Dame zu dem Zeitpunkt war Mitte 80 und unheimlich lebenslustig und ständig auf Achse. Sie sagte mir damals, dass sie zwar gerne in die OP gegangen ist und Erwartungen daran geknüpft hatte, sich aber nicht so recht vorstellen konnte, was sie noch zu hören bekommt. Sie profitierte sehr viel vom CI, aber wie sie sagte, "ich mache auch viel damit". Und das ist der Knackpunkt, man macht was damit.
    Die andere Dame, altersmäßig auch um den Dreh, die sonst auch recht unbeweglich im Rollstuhl saß und sich gerne von allen seiten bedienen ließ (sorry, falls ich hier jemanden auf die Großzehe treten soll, ich nehme mir die Freiheit, durch meine Berufstätigkeit so etwas durchaus erkennen zu können  ;) )war wiederum mit der Gesamtsituation unzufrieden und machte quasi den Operateur dafür verantwortlich, dass sie "damit nicht richtig hören kann". Ich war mal Zeuge davon, wie Dr. Zeh versuchte, ihr das zu erklären, dass CI nun mal kein neues und wie ein normal funktionierendes Ohr ist. Ich nehme nicht an, dass der kleine Vortrag bei ihr ankam. Wer bei dieser Dame die OP befürwortet hat und warum, ist mir ein Rätsel.
    Ich denke, ob jung, ob alt, vor der OP muss sich jeder im klaren sein, ob er imstande ist, den ganzen Weg danach auf sich zu nehmen, ob er Kraft und genug Durchhaltevermögen hat, keine überhöhten Erwartungen, sollte etwas nicht so klappen, wie man geplant hat, oder vergleichsweise bei den anderen läuft. Auch die Mobilität ist nicht außer acht zu lassen- wie schnell und wie überhaupt erreiche ich die Klinik zu den vielen Einstellungen? Das Leben ist hart, wenn man so wie ich aus der tiefsten provinz kommt, kein Auto fährt oder keins mehr hat, und keinen, der gerade einen hinfährt und dort halben Tag mit verbringt, ist die Sache schon mal schwierig.

    rechts: CI seit Sept. 2013, danach Opus 2XS (sehr gern)+ Rondo (weniger gern). Seit 7.07.2020 Sonnet 2.
    links: Schwerhörigkeit bei Otosklerose, HG von Phonak

  • Hallo,

    aus meiner persönlichen Sicht sollte jedem -unabhängig vom jeweiligen Alter- die Möglichkeit bereitstehen.
    Gerade ältere Leute sind ja sehr oft sozial isoliert, verkriechen sich in der Wohnung und warten nur noch darauf, dass irgendwann der Tod vor ihrer Haustüre steht und sie "erlöst".

    Wenn zu dieser Problematik aber auch noch eine schwere Hörstörung oder Taubheit hinzukommt, dann werden meist sämtliche Hilfen abgelehnt.
    Möchte jemand mit ihnen einen Kaffee trinken gehen, eine Runde laufen gehen oder vielleicht auch einfach nur den Kontakt zu einer Seniorengruppe bilden, dann lehnen es die meisten ab, da sie ja eh nichts verstehen.
    Das frustriert sie dann noch zusätzlich.

    Klar....ein CI bringt für viele kein Wunder von heute auf morgen, aber solang dann wenigstens die Kommunikationsbereitschaft und auch die Wege dahin etwas geebneter sind wie ohne...das bringt viele etwas aus der Isolation.
    Wenn ich mir meine Verwandschaft anschaue -meine Oma, von meinem Opa der Bruder usw.- dann fällt mir sehr deutlich auf, dass sie die meiste Zeit in der Wohnung verbringen und sich zu nichts mehr bewegen lassen.
    Seit der Bruder von meinem Opa (86 Jahre) ein für ihn passendes Hörsystem hat, ist er viel aktiver -wie man zu dem Zeitpunkt in seinem Zustand noch sagen kann-.
    Er geht in eine Seniorengruppe zwei Mal die Woche, er freut sich drauf und er genießt es auch sichtlich.
    Zuvor hat er das immer abgelehnt.

    Auch wenn jemand Ü70 ist...auch dieser Mensch hat ein recht auf ordentliche Versorgung...genau wie ein Mensch in jungen Jahren.
    Natürlich spielt da auch der gesundheitliche Aspekt mit rein...ist jemand eh schon total labil und würde eine Narkose mit großer Sicherheit nicht überleben, dann bin auch ich dafür, dass das dann keinen Sinn mehr hat.
    Das Leben sollte ja nicht aufs Spiel gesetzt werden.
    Aber sind all diese Aspekte so, dass man sagen kann, er überlebt die OP, er wird noch Nutzen draus ziehen können und er wird sich auch ein wenig auf die folgenden Übungen einlassen können, dann warum nicht?

    Lieben Gruß
    Kim

    CI bilateral von AB und mittlerweile Naida Q70 - implantiert in Tübingen
    Lautsprach- und Gebärdensprachkompetent

  • Seit der Bruder von meinem Opa (86 Jahre) ein für ihn passendes Hörsystem hat, ist er viel aktiver -

    Kim,

    genau das ist der Knackpunkt:

    die Beratung ist meiner Meinung nach oft nicht angepasst, mit Hörgeräten = akustischem Hören ist bei vielen Alten sicherlich noch was rauszuholen, wenn denn die Umgebung usw. stimmt.
    Aber wie schon von dargestellt, ein Thema ohne Ende......

    Grüße
    Sigrid


    schwerhörig nach Masern 1962
    HG seit 1964
    Hörsturz 2000
    bilateral CI von Cochlear: Okt. 2007/Nov.2008, N6 seit 29.11.2013

  • Ja, so ist das. Manche 20 bis 30 jährige, die ich kenne, sitzen nur noch vor der Kiste und total passiv, nichts mit lernen und so mancher über 60 oder 70 noch total aktiv, lernfähig und lebenslustig. Man muss das echt 'Fall für Fall sehen. Außerdem wird ja bei der VU auch gescheckt, ob die soziale Umgebung positiv gegenüber einem CI eingestellt ist.
    Gruß Norbert

    links: Opus 2XS, Flex28; OP 14/09/2012 MHH
    EA: 05/11/2012 erfolgreich

    seit 12/06/2020 Sonnet 2

    rechts: HG (zu nichts nutze...)
    --------------------------------
    Offenbarung 21,4
    ...und der Tod wird nicht mehr sein, noch Trauer noch Geschrei noch Schmerz...

    Jesaja 35, 4-6
    Sagt den verzagten Herzen: "Seid getrost ..." ...dann werden die Ohren der Tauben geöffnet werden...

    • Offizieller Beitrag

    Das alter sollte keine Rolle spielen beim CI. Bei der Reha für älter CI Träger sollte einfach gesichert sein von Seiten der Reha klinik das diese Patienten wenn nötig zu den Therapien gebracht werden. Klar ist das ein aufwand aber ich glaube kaum das sich der Kostenträger freut wenn der Patient im Bett liegt statt bei der Therapie ist weil er dauernd hinfällt. Auf der anderen seite frag ich mich wieso diese Herr keine Hilfsmittel hatte damit er sicher zur Therapie kommt, den er wird ja nicht von heute auf morgen so schlecht auf den Beinen gewesen sein.

  • Hallo,

    aus meiner persönlichen Sicht sollte jedem -unabhängig vom jeweiligen Alter- die Möglichkeit bereitstehen.
    Gerade ältere Leute sind ja sehr oft sozial isoliert, verkriechen sich in der Wohnung und warten nur noch darauf, dass irgendwann der Tod vor ihrer Haustüre steht und sie "erlöst".

    Ich würde das weniger an das Alter knüpfen, mehr an die Bereitschaft des Menschen, sich auf das Ganze einzulassen.
    Und vor allem: an die kognitive Fähigkeiten!
    Sagen wir mal so: meine Mutter ist zwar "erst" 71 Jahre alt, aber bei ihr wäre ein CI, sollte das nötig sein, verlorene Liebesmüh.
    Sie würde es nicht schaffen, CI für sich auseinanderklamüsern, irgendwann würde sie selbst die idiotensichere Med- El- Fernbedienung überfordern, denke ich.
    Die Operation selbst würde schon ein großes Problem darstellen, da sie seit Jahrzehnten Herz- und Blutdruckkrank, an kompletter Herzarhthmie leidet, die eine (lange) Narkose nicht unbedingt verträgt. Und gleich danach müsste man mit verschiedenen Zwischenfällen rechnen.
    Ihr Biswanger würde so manche Erklärung, Übung, technisches Üben einfach zunichte machen, bzw. bedürfte es sehr viele mühsame Übungen, so mühsam, dass sie und der Therapeut irgendwann keine Lust mehr hätten.
    Es kommt immer auf den einzelnen an, auf die Prognose, was hat der mensch wirklich davon, ein CI zu bekommen?
    Ältere Menschen sind oft störrisch, launisch, wissen eh alles besser. es sind auch viele dabei, die schleichend dement sind, aber noch eine gute Fassade haben. Und sehr viele warten auch gerne auf den Tod. Altersdepressionen sind nicht gerade das Topthema, aber es gibt sie öfter, als uns das lieb wäre.
    Und wenn der Mensch schon seit Jahren seine Einsamkeit zelebriert hat, aus welchem Grund auch immer, und gar nicht daran ändern will? Sollte es wegen der Schwerhörigkeit sein, muss es danach nicht sein, oder passiert eh seltener, dann so ein Einzelgänger plötzlich zum Partylöwen wird. Gibt es auch, aber eben selten.
    Wir wissen alle- nehme ich an, wir bekommen es ja mit von unseren Familienangehörigen etc., wie schwierig das immer ist, wenn ein alter Mensch plötzlich ein Hörgerät bekommt. Die wenigsten bleiben daran, haben die Geduld und Durchhaltevermögen zu den Einstellungen, tja, meist landet das Hörgerät im dem Kästchen, weil "ich höre nicht gut damit".
    CI ist paar Nummern größer, das wissen wir hier auch. Das kann ganz schnell überfordern, wenn man nicht mehr der Jüngste ist und schnell etwas dazu lernen kann- und das auch will.
    Die Idee- CI müsste für jeden solcher Menschen zu haben sein, klingt zwar human und lobenswert, ist aber ziemlich lebensfremd.

    rechts: CI seit Sept. 2013, danach Opus 2XS (sehr gern)+ Rondo (weniger gern). Seit 7.07.2020 Sonnet 2.
    links: Schwerhörigkeit bei Otosklerose, HG von Phonak

  • Das alter sollte keine Rolle spielen beim CI. Bei der Reha für älter CI Träger sollte einfach gesichert sein von Seiten der Reha klinik das diese Patienten wenn nötig zu den Therapien gebracht werden. Klar ist das ein aufwand aber ich glaube kaum das sich der Kostenträger freut wenn der Patient im Bett liegt statt bei der Therapie ist weil er dauernd hinfällt. Auf der anderen seite frag ich mich wieso diese Herr keine Hilfsmittel hatte damit er sicher zur Therapie kommt, den er wird ja nicht von heute auf morgen so schlecht auf den Beinen gewesen sein.

    CI- Rehaklinik ist das kleinste Rädchen im System, klar kann man das durchaus schnell sicherstellen, dass der Patient zu den Therapien dort hinkommt, ganze 3 oder 5 Wochen lang, aber was ist davor und danach zu Hause? Was ist damit, was ich bereits im ersten Posting ansprach- kann ich bzw. meine Angehörigen sicher stellen, dass ich regelmäßig und anfangs ziemlich oft, aber auch bei Problemen zwischendurch, die Klinik/ das Hörzentrum erreiche, als alter und nicht mehr (auto)mobiler Mensch?
    In der Klinik bekommt man alles parat hingestellt und angeschlossen- wer kümmert sich um die Technik zu Hause? Manchmal kann schon ein simpler Kabel ein Riesenproblem darstellen. Auch hier muss Unterstützung vorhanden sein. Zivis gibt es nicht mehr...
    Heute gut auf den Beinen, morgen kann das schon anders sein. Das Alter und alles, was dazu gehört, ist nun mal so tückisch.

    rechts: CI seit Sept. 2013, danach Opus 2XS (sehr gern)+ Rondo (weniger gern). Seit 7.07.2020 Sonnet 2.
    links: Schwerhörigkeit bei Otosklerose, HG von Phonak

    • Offizieller Beitrag

    Huhu,

    klar ist die Klinik nur ein Baustein, aber halt auch ein wichtiger. Es darf also nicht sein, dass ein Patient ständig stürzt und sich verletzt, statt bei den Therapien zu sein.
    Aber ich gebe dir in so fern recht, dass im Vorfeld einer OP geschaut werden muss, ob der Kandidat überhaupt dafür geeignet ist. Geeignet nicht nur im medizinischen Sinne, sondern ob er in der Lage ist, mit dem System klar zu kommen.. oder ob es entsprechende Hilfe zu Hause gibt (bei kleinen Kindern bzw. mehrfachbehinderten Kindern muss dieses ja auch erfragt werden, weil die Kinder selbst dazu noch nicht in der Lage sind!)

    Aber wer weiss, wie lange der Herr das CI hatte und seit wann er die dementiellen Anzeichen zeigt. Es kann ja durchaus sein, dass das CI schon länger liegt, aber durch eine dementielle Erkrankung der Umgang noch mal "neu" gelernt werden sollte und er deswegen in der Klinik war. Wer weiss das schon?

    Fakt jedoch ist, dass sich eine Lebenssituation sehr schnell ändern kann. Man kann erkranken (sei es an Demenz oder einer anderen Erkrankung), man kann einen Unfall haben etc.... letztendlich kann man gar nicht alle Eventualitäten im späteren (CI)-Leben eliminieren.
    Wichtig ist daher auch, dass eine Klinik, die feststellt, dass ein Patient offenbar auf Hilfe angewiesen ist, entsprechendes in die Wege leiten muss, dass dieser auch die Hilfe zu Hause bekommt, die er benötigt. Vielleicht war die Hilfe ja zu Hause sichergestellt (durch die Frau / Tochter / Sohn?)? Auch sollte jeder Patient (egal, ob jung oder alt) die Hilfe vom Klinikpersonal bekommen, die nötig ist.

    Was heute noch ein Einzelfall ist, wird aufgrund des demographischen Wandels in 15-20 Jahren Alltag sein... es wird Zeit, dass sich die Komponenten im Gesundheitssystem darauf einstellen!

    Grüße,
    Miriam