Allgemein: Kinder und CI

  • Hallo Ihr Lieben!

    Ich hoffe, ich stelle jetzt nicht zu viele Fragen, die schon anderweitig erörtert wurden oder so. :oops:

    Ich krieg das derzeit in Diskussionen wieder sehr oft mit, daß von den Gegnern einer CI-Implantierung bei gehörlosen Kindern vorgebracht wird, daß sowohl CI als auch Gebärdensprache nicht geht, weil das Hörenlernen zuviel Zeit in Anspruch nimmt und man höchstens dazu kommt, von allem ein bißchen, aber nix richtig zu lernen.

    Zudem natürlich, daß solche implantierten Kinder sich schlecht damit fühlen und ständig unter Streß stehen - zumal ja die Erfolge nicht garantiert sind.

    Wie genau sieht das denn nun wirklich aus?
    Ich meine, viele hier sind ja als Ertaubte implantiert worden - kann jemand etwas dazu sagen, wie das mit einem von Geburt an gehörlosen Kind läuft, das auch im Kindesalter implantiert wurde?
    Funktioniert das mit einem "Sowohl-als auch" von DGS und Lautsprache - oder klappt das gar nicht, weil die Zeit fehlt, beides zu lernen?

    Lieben Gruß vom Regenbogen.....
    die so langsam, wie die Bild es sagte, eine Schneepression kriegt

    Es gibt auf Erden keinen Kummer, den der Himmel nicht heilen könnte. (William Paul Young, "Die Hütte") In memoriam Robert Enke

  • Hallo Regenbogen,

    Deine Frage beschäftigt mich auch schon recht lange und ich konnte mich aber schon persönlich an Eltern wenden, deren Kinder gehörlos (taub wende ich nicht gerne an, da die betroffenen Perosnen ja noch Gefühle haben, also nicht taub sondern nur Gehörlos sind) geboren sind und im Babyalter aber auch implantiert wurden.
    Dieses Kind (heute 3 Jahre alt) hat sehr gut von den beiden CI's provitiert.
    (beidseitige Implatierung in einer OP)
    Diese Mädchen geht heute in einen Integrationskindergarten und ist heute ein recht Sprach-und Hörbegeistertes Kind wie fast alle Normalhörenden in ihren Alter. Sie macht riesen Fortschritte (O-Ton der Eltern) was das Hören und auch das Sprechen angeht. Würde man die CI's bei ihr nicht sehen , würde kein Außenstehender auf die Idee kommen das Kind als Hörgeschädigt einzustufen.
    Dazu muß ich aber sagen: Die Kleine wurde recht früh implantiert und hat somit natürlich ein riesen Erfolg. Bei Gehörlosen Kinder die spät implantiert werden dauert es natürlich auch länger mit den großen Erfolgen, da das Gehirn ja noch keine Hör-und Spracheindrücke speichern konnte. Sie fangen also komplett von vorn an mit dem Sprechen und dem Hören. Wenn man das ganze aber spielerisch durchzieht und das Kind nicht zum Sprechen und hören zwingt, kann (aber muß nicht) sich der Erfolg auch recht schnell einstellen. Das Kind sollte aber trotzdem die Möglichkeit haben sich mit der Gebärdensprache zu unterhalten. Das gibt ihm Sicherheit. An Stress artet das ganze nur aus wenn die Eltern oder wer auch immer versucht das ganze unter Druck zu erlernen. Das bringt nichts, das Kind würde irgendwann das CI nicht mehr tragen wollen.
    CI und Gebärdensprache lassen sich gut miteinander verbinden. Das ist hier bei uns zu Hause auch machbar. Ich selber kann die Gebärdensprache nicht richtig(habe sie ja auch nie richtig erlernt eventuell anwenden können) aber mein Sohn Christoph benutzt die Gebärdensprache zu Hause auch nach Herzenslust und mein Mann (Gebärdensprachdolmetscher) provitiert auch davon. :lol: Es ist vieles neu in der Gebärde!! (O-Ton) Meine Schwiegermutter ist Gehörlos und da kann mein Sohn dann auch super als Dolmetscher fungieren.(wenn mein Mann nicht in der Nähe ist) Macht ihn auch noch riesen Spass. Davon provitieren wir dann halt alle.

  • Danke, colagirly.
    Ich hätte mir auch nicht vorstellen können, aus welchem Grund das grundsätzlich nicht möglich sein sollte - wobei natürlich klar ist, daß das auch von Kind zu Kind unterschiedlich ist, genauso wie die Hörerfolge mit CI, das ist ja auch nicht bei allen gleich.

    Es war ja auch bemerkenswert, daß zum letztjährigen CI-Tag ein Artikel im Taubenschlag stand (zum CI-Tag waren ja wohl auch Gl explizit eingeladen), in dem unterstellt wurde, daß diese Öffnung der CI-Gesellschaften wohl nur dem Zweck dienen sollte, auch die letzten Gehörlosen von CIs (für ihre Kinder, soweit ich das in Erinnerung habe) zu überzeugen. Geprüft hat´s anscheinend keiner - aber das ist ein anderes Thema.
    Vertrauen könnte man den CI-Gesellschaften nur dann, wenn diese sich für CI UND Gebärdensprache aussprächen.
    Warum hätte man eine solche Forderung aufstellen sollen, wenn das prinzipiell und per se schon unmöglich wäre.

    Ich erinnere mich außerdem an das Buch "Der Schrei der Möwe" von Emmanuelle Laborit (französische gehörlose Schauspielerin). Sie hat erst mit 7 Jahren gebärden gelernt, weil ihre Eltern davon vorher gar nichts wußten.
    Warum also sollte das nicht möglich sein, beides ggfls. nicht parallel, sondern nacheinander zu lernen. Und wenn ein Kind mit dem CI so gar nicht zurechtkommt - bis dahin merkt man das auf jeden Fall, wohl noch ein ganzes Stück vorher.

    Es gibt auf Erden keinen Kummer, den der Himmel nicht heilen könnte. (William Paul Young, "Die Hütte") In memoriam Robert Enke

  • Hallo Regenbogen

    eine Frage, die wohl fast alle Eltern eines gl Kindes bewegt...
    Es ist aber leider immer wieder das gleiche: auf dem Rücken der Kinder wird der Kampf GL vs. Ci ausgetragen. Leider ist es scheinbar nicht möglich beides irgendwie unter einen Hut zu bekommen.

    Die eine Seite erzählt den Eltern: es sei wichtig, dass das Kind Lautsprache lernt und Gebärden würden nur schaden. das Kind würde aus "Bequemlichkeit" lieber Gebärden lernen als Lautsprache und das sollte verhindert werden.
    Die andere Seite dagegen verteufelt das Ci, spricht von Körperverletzung, wenn ich meinem Kind so einen Apparat einsetzen lasse. Es wird den Eltern Angst gemacht vor riesigen Komplikationen usw. Nein die Kinder sollten die Gebärdensprache lernen, denn ein Ci könnten sie ja jederzeit, wenn sie selbst sich dazu entschließen wollen, bekommen. Dass es durchaus "Zeitfenster" gibt beim Spracherwerb erwähnt keiner...

    Ja und als Eltern? Ich gehe jetzt mal von mir aus: hörend, aufgewachsen ohne jemals wirklich Kontakt zu gehörlosen gehabt zu haben. Man denkt an Leute, die nicht richtig sprechen können , schlechte Schriftsprache haben und auch eine schlechte Schulbildung bekamen. Dann bekommt man selber ein Kind, das gehörlos ist. Und was geht einem da im Kopf herum? Genau- ich möchte alles dafür tun, dass mein Kind so normal wie möglich aufwächst. Der erste Kontakt, den man dann hat ist natürlich der zu hörenden(!) HNO Ärzten und Therapeuten. Auch die haben natürlich eher die Lautsprache im Sinn, vielleicht auch weil sie wissen wie wichtig das den hörenden Eltern ist? Wenn man Glück hat wird man an eine Beratungsstelle verwiesen, wo man dann Kontakt zu ausgebildeten Hörgeschädigtenpädagogen bekommt. Aber auch die arbeiten in den meisten Fällen lautsprachorientiert, haben keine Kontakte zu GL und stellen auch für uns keine Kontakte her. Und genau da müsste man spätestens ansetzen. Nämlich insofern als dass in die Beratung (pädagogische) auch gebärdensprachkompetente mit der GL-Kultur vertraute, im besten Fall selbst gehörlose, Pädagogen mit einbezogen werden.
    In der Realität ist es aber, zumindest hier, so, dass man selber den Kontakt zu gehörlosen Gruppen aufbauen muss. Man muss selber aktiv sein, sich schlau machen, DGS-Kurse (nicht gerade billig) besuchen und Initiative zeigen. Aber genau das fällt vielen Eltern schwer. Es sind Berührungsängste da zu einer für sie so anderen Kultur: Fragen wie "ich verstehe nichts" "verstehen die mich" "bin ich überhaupt erwünscht" treten auf.


    Ich glaube dass es allein deshalb viel zu wenig Kinder gibt, die z.B. mit Ci lautsprachig aufwachsen und gleichzeitig DGS lernen, um da Erfahrungswerte zu haben ob das eine das andere behindert oder fördert. Hörende Eltern mit Ci-Kindern können ja selber zu wenig DGS. Und gl Eltern stehen einer Ci-OP meist so negativ gegenüber, dass die Kinder oft (zu) spät implantiert werden... Sprich Kinder, die wirklich von Anfang an zweisprachig aufwachsen (gehörlos mit Ci dann mit Lautsprache und DGS) sind eher die Ausnahme und noch so selten, dass man da kaum sagen kann was welche Folgen hat, oder? Die meisten werden sicher mehr oder weniger erfolgreich lautsprachig gefördert werden, später dann ggf. mit (unterstützenden) Gebärden oder aber eben andersherum: erst DGS in der Familie und dann in der Schule mühsam lautsprachig (mit welchem Erfolg?).

    Bin gespannt über mehr Berichte/ Erfahrungswerte diesbezüglich.

    Viele Grüße

    Wiebke
    mit Sohn (20 Jahre) mit 1 HG und 1 CI

  • momo
    Hm, das glaube ich Dir, daß da viel zu wenig Initiative gezeigt wird, um den Eltern bei der Entscheidung wirklich zu helfen, und daß es da oft beiden Seiten um Ideologien geht.

    Schlimm finde ich auch, wenn man die Frage stellt: Was macht man denn als Eltern, die nicht gebärden können und auch gar keine Kontakte haben - und man bekommt die schnoddrige Antwort, daß diese Frage fast lächerlich (lächerlich!!!) wäre, denn Jugendliche mit Migrationshintergrund müßten ja auch Deutsch lernen, auch wenn ihre Eltern das nicht könnten.
    Der Vergleich hinkt ja total - denn solche Kinder lernen doch die deutsche Sprache oft bei ihren Altersgenossen, und wenn zu Hause dann die Muttersprache gesprochen wird, sind sie halt zweisprachig. Wo liegt denn da das Problem.

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  • Ich bin auch sehr gespannt ob und was hier an Erfahrungsberichten für zweisprachig aufwachsende Kinder kommt! Ob und wie man das praktisch hinbekommt...

    Aber, Regenbogen, bei der Sache mit dem Migrationshintergrund und Deutsch ging es glaub ich nur darum zu sagen, dass Kinder durchaus eine andere Sprache als die der Eltern lernen können. Eben in der Schule und bei Altersgenossen - und das könnten ja theoretisch auch Gebärdende sein. In dem Punkt (aber vielleicht auch nur in dem) Deinem Standpunkt nicht unähnlich.

  • Ja, gut - wenn man es so deutet....
    nur, wenn man jetzt ein Elternteil gewesen wäre und bekäme halt diese Antwort, dann glaube ich nicht, daß man das als besonders ermutigend auffassen würde.

    Ich würde mich jedenfalls hier auch auf weitere Erfahrungsberichte freuen, um mir da ein besseres Bild machen zu können.

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  • Hallo zusammen

    naja der Vergleich "Migranten lernen ja auch eine andere Sprache" ist wirklich nicht ganz treffend, weil
    1. ist ja Gebärdensprache eine Sprache die mit einem ganz anderen Sinn "gesprochen" wird, nämlcih mit den Händen und den Augen: ein Migrantenkind hat ja keine Probleme die deutsche Sprache zu hören und dann zu lernen und gleichzeitig zuhause die Muttersprache zu sprechen. Im Gegensatz dazu wäre es theoretisch bei einem nicht versorgten gl Kind so, dass das Kind z.B. DGS (visuelle Sprache) lernt und damit kommunizieren kann, den Eltern die aber Lautsprache sprechen die Kommunikation mit ihrem Kind dann verwehrt bliebe. Sprich die Eltern müssten auch DGS lernen (und das möglcihst schnell und gut für gute Kommunikation), um mit ihrem Kind "im Gespräch zu bleiben".
    2. ist es zumindest hier bei uns so, dass die Kinder weder in der Frühförderung noch im Kindergarten und auch nicht in der Schule Gebärdensprache richtig angeboten bekommen und zwar so, dass sie die Sprache wirklich gut lernen. In der SH Schule hier wird vorwiegend lautsprachig unterrichtet mit keiner oder sehr wenig Gebärdenunterstützung, von wirklciher DGS mal ganz zu schweigen. Sprich, wenn die (hörenden) Eltern nicht selber Gebärdensprache lernen, um sie ihrem Kind (mit welcher Qualität?) anzubieten, dann wird das Kind sie auch nicht ausreichend lernen, um von einer Zweisprachigkeit zu reden (DGS in der Schule und Lautsprache zuhause).

    Ich denke die größten Chancen Kinder zu finden, die wirklcih zweisprachig aufwachsen hätte man in einer Familie mit gl Eltern, deren Famileinsprache DGS ist (Sprache zuhause), deren Kind ein Ci hat und eben schulisch und mit Freunden lautsprachig kommuniziert. Nur wo findet man die? Sicher nicht hier.... Vielleicht findet man sie an SH Schulen (ich glaube bei uns gibt es ein paar Kinder mit gl Eltern, die selber "nur" sh sind und daher zuahuse DGS nutzen und in der Schule eben Lautsprache. Die Kinder mit gl Eltern, die ein Ci haben wird man entweder lange suchen oder aber sie wurden so spät implnatiert, dass der Lautspracherfolg recht gering ist.

    In Hamburg gibt es ja ein bilinguales Schulkonzept, was meines Wissens ja recht erfolgreich sein soll. Vielleicht wäre das ein "Beweis", dass es zumindest funktionieren kann? Ich denke auch, dass man bei einem Ci Kind durchaus auch zusätzlcih Gebärden anwenden kann (und dass das auch hilfreich ist). Die Frage ist nur welche? Nimmt man DGS mit der Gefahr (das wäre zumindest meine Sorge), dass die DGS Grammatik auch in die Lautsprache "übertragen" wird. Oder aber nimmt man LBG, wo diese "Gefahr" nicht wäre, aber die schnelle Kommunikation auf visueller Ebene sicher leidet, das LBG eben recht "aufwendig" zu gebärden ist?

    Es bleibt spannend wie die Entwicklung da weitergeht. Und es bleibt zu hoffen, dass es irgendwann mal um die Kinder geht und nicht darum wer im Recht ist.

    In diesem Sinnne

    Wiebke
    mit Sohn (20 Jahre) mit 1 HG und 1 CI

  • Hi,
    ich habe in Freiburg schon mehrere Kinder erlebt, wo auch die Eltern GL waren und die Kinder implantiert wurden. Selbst der kleine Mann der mit mir zusammen im Zimmer lag, 8 Monate alt und am gleichen Tag, zur gleichen Stunde im anderen OP sein Ci bekam, hat eine GL Vater und eine schwerhörige Mutter.
    Später habe ich sie nach ettlichen Monaten wieder im ICF getroffen, er hat sich über Gebärden mit seine Eltern unterhalten, hat aber auch angefangen zu sprechen.
    Auch die anderen Kinder, die ich erlebt habe, haben mit den Eltern gebärdet, sich aber sonst mit den anderen Kindern dort lautsprachlich unterhalten. Ich fand es einfach toll, wie selbstverständlich sie miteinander und untereinandere kommunizieren, eben ganz natürlich.
    Natürlich brauchen diese Kinder auch eine gute Logopädin, damit sie auch richtig aussprechen können.

    Übrigends mein kleiner Zimmernachbar mit Ci, machte abends immer um halb 8 sein CI ab, zeigte so seiner Mutter, ich bin müde, will ins Bett. Seine Mutter sagte mir dann, das macht er jeden Abend und auch immer um die gleiche Zeit.
    Gruß, Rosemarie.

    2005 links CI Freedom
    2006 rechts CI Freedom mit Double Array Implant wegen verknöcherten Cochlear
    seit Freitag dem 13.09.2013 beiderseits den N5 von Cochlear

  • Rosemarie, hast Du damals eine Ahnung davon bekommen, wie zeitaufwändig DGS+Lautsprache für die Kinder ist?

    Zitat von "momo"

    Nimmt man DGS mit der Gefahr (das wäre zumindest meine Sorge), dass die DGS Grammatik auch in die Lautsprache "übertragen" wird.

    Interessanter Gedanke. Ist das so? Also ich meine, ist die Gefahr größer als bei bilingual-lautsprachlich? Oder vielleicht sogar geringer weil ganz unterschiedliches Medium? Frage ich mich gerade....

  • Nein, denn für mich war es der erste Kontakt, mit Eltern und Kind, die GL sind.
    Ich selber bin plötzlich ertaubt, war nie schwerhörig und habe mir auch nie als Normalhörende darüber Gedanken gemacht.
    Mich haben die Gebärden aber neugierig gemacht, fand es wirklich toll, wie so eine Unterhaltung möglich war. In der Reha später habe ich mich dann auch bemüht, dort eine LBG Kurs mitzumachen, worüber sich die GL Patienten, die dort auch in der Klinik waren, sehr gefreut haben. Also ich hatte überhaupt dort mit den Mitpatienten keinerlei Probleme, ich habe sie so angenommen, wie sie sind und umgekehrt war es bei den meisten dort auch so. Das Gemeinsamkeisgefühlt unter Rauchern ist doch ganz schön groß und gemeinsam haben wir dann auch noch eine Brieftaube gerettet, die dort vom Auto angefahren wurde.
    Gruß, Rosemarie.

    2005 links CI Freedom
    2006 rechts CI Freedom mit Double Array Implant wegen verknöcherten Cochlear
    seit Freitag dem 13.09.2013 beiderseits den N5 von Cochlear

  • Zitat von "Not quite like Beethoven"


    Interessanter Gedanke. Ist das so? Also ich meine, ist die Gefahr größer als bei bilingual-lautsprachlich? Oder vielleicht sogar geringer weil ganz unterschiedliches Medium? Frage ich mich gerade....

    Das ist eine sehr interessante Frage, die ich mir auch schon öfter gestellt habe. Im Zuge meiner CI-Recherchen war ich auch in einigen Foren unterwegs, in denen überwiegend Gehörlose schreiben. Dort hatte ich echt das Gefühl, dass auf Gehörlosenschulen die Grammatik der Lautsprache vernachlässigt wird, denn fast alle verwendeten in ihren Beiträgen offensichtlich die Gebärdengrammatik, wodurch die Beiträge für mich sehr schwer lesbar waren. Allerdings maße ich mir da kein Urteil an, kann auch sein, dass sich dort keiner die Mühe machen wollte, weil die Gehörlosen ja quasi unter sich waren und jeder die Gebärdengrammatik beherrscht und im Alltag wesentlich öfter anwendet.

  • Ich war, nachdem ich von ein paar führenden (jedenfalls war ich davon ausgegangen) Gl-Vertretern die Forderung nach mehr Gebärdenvideos gelesen hatte, davon ausgegangen, daß das vielleicht darin seine Ursache haben könnte. Sich einfach nur auf die eigenen Leute, die eigene Sprache verlassen und dann von den anderen entsprechende Rücksichten fordern.

    Inzwischen hat man mir erklärt, daß das wohl eher damit zu tun hat, daß allgemein in Gehörlosenschulen wohl ein zu großes Gewicht auf Sprechübungen gelegt wird - also, auch nicht Grammatik, Vokabular - nur Aussprache, so wie ich das verstanden habe. Und DAS geht natürlich (da da ja nicht oder nicht nur CI-ler sitzen) zeitlich zu Lasten der sonstigen Bildung.
    Interessanterweise war es ein CI-Träger, der sich die Mühe gemacht hat, mich dahingehend aufzuklären - die DGSler haben sich nur über mich aufgekröppt. :wink:

    Ganz sicher hat es aber doch auch mit dem unterschiedlichen Sprachentalent zu tun, oder? Ich meine, unter den Hörenden gibt es doch auch solche, die Fremdsprachen gut beherrschen und andere, die es weniger gut können (was heißt Fremdsprachen; wenn man sich das Deutsch mancher Hörender anguckt, fragt man sich auch manchmal, auf welchem Planeten man ist.).

    Es gibt auf Erden keinen Kummer, den der Himmel nicht heilen könnte. (William Paul Young, "Die Hütte") In memoriam Robert Enke

  • Zitat von "Rosemarie"

    Ich fand es einfach toll, wie selbstverständlich sie miteinander und untereinandere kommunizieren, eben ganz natürlich.


    Ja das ist toll!

    Zitat von "Not quite like Beethoven"

    Interessanter Gedanke. Ist das so? Also ich meine, ist die Gefahr größer als bei bilingual-lautsprachlich? Oder vielleicht sogar geringer weil ganz unterschiedliches Medium? Frage ich mich gerade....


    Ich weiß nicht, ob es so ist, aber das ist häufig die Sorge hörender Eltern. Daher wäre das wirklcih interessant. Denn die meisten Ci Kinder, die ich kenne haben mehr oder weniger schon Probleme mit der Grammatik (manche nur bei den Objektiven in Sätzen, andere aber mit Satzstellung insgesamt) und da frage ich mich ob eben die DGS Grammatik, die dann ja für sie einfacher zugänglich ist nicht übernommen wird? Aber ich weiß es nicht.

    Zitat von "Not quite like Beethoven"

    Rosemarie, hast Du damals eine Ahnung davon bekommen, wie zeitaufwändig DGS+Lautsprache für die Kinder ist? ....

    Im Idealfall würde ich mir vorstellen, dass es gar nicht zeitaufwendig ist, sondern ganz selbstverständlich passiert im Alltag. Vielleicht dauert der Spracherwerb insgesamt etwas länger (ist ja oft auch bei bilingual, z.b. Deutsch und Englisch, aufwachsenden Kindern so). Nur in den Genuss das wirklcih natürlcih parallell zueinander lernen zu können kommen wahrscheinlcih nur Kinder gl Eltern, die dann ja DGS als Muttersprache leben, oder (noch besser?) Kinder mit einem hörenden Elternteil, der Lautsprache spricht, und einem gl Elternteil, der DGS anwendet. Ist aber alles Theorie. Nur soviel: hörende Kinder gl Eltern lernen ja auch mehr oder weniger problemlos beides.

    Zitat von "Regenbogen"

    Inzwischen hat man mir erklärt, daß das wohl eher damit zu tun hat, daß allgemein in Gehörlosenschulen wohl ein zu großes Gewicht auf Sprechübungen gelegt wird - also, auch nicht Grammatik, Vokabular - nur Aussprache, so wie ich das verstanden habe. Und DAS geht natürlich (da da ja nicht oder nicht nur CI-ler sitzen) zeitlich zu Lasten der sonstigen Bildung.


    Ja ich glaube das ist eines der größten Probleme. Es wurde keine DGS gemacht zur Wissensvermittlung. Und statt DGS zu "sprechen" und dann Schriftdeutsch zu erlernen wurde eben viel mit Sprechübungen gearbeitet (Aussprache). Es hing dann sehr vom Engagement der eigenen Eltern ab, ob man gutes Schriftdeutsch beherrscht. Ich kenne eine gl Frau, deren -auch gl- Eltern sehr viel Wert auf ihre Bildung gelegt haben und ihr zusätzlcih zur Schule eine Lehrerin organisiert haben, die ihr das Schreiben richtig beibringt, da das in der Schule eher vernachlässigt wurde. Sie beherrscht Schriftdeutsch wirklcih fast perfekt und "spricht" ausschließlcih DGS. Andersherum kenne ich eben auch gl Erwachsene bei denen weder ich verstehe was sie wollen, wenn sie z.B. mir eine mail schreiben, noch habe ich das Gefühl, dass sie meine mails verstehen. Sie lesen keine Elterninfos (zu schwer) usw.

    Nachdenkliche Grüße

    Wiebke
    mit Sohn (20 Jahre) mit 1 HG und 1 CI

  • Kürzlich noch hab ich in der Zeitung einen Artikel über CI bei Kindern hier am St. Elisabeth-Hospital gelesen.....naja, über die Anwendung von Gebärdensprache war da nichts gesagt worden, deshalb hab ich das hier nicht abgetippt, aber es klang halt doch durchaus danach, als ob Kinder, die in sehr jungem Alter implantiert wurden, ordentlich zurecht kommen können (....abhängig davon, wie gut das nun läuft oder eben nicht).

    Habe mir so meine Gedanken gemacht, woher eigentlich dieser Absolutheitsanspruch kommt, diese Aussage: Für gehörlose Kinder geht´s nur mit Gebärdensprache und auf keinen Fall mit CI, die werden hinterher alle ein bißchen gestört.

    Solche Äußerungen kommen ja von Vertretern des Gehörlosenbundes etc. - und vielleicht muß man sich einfach fragen, wer erzählt denn denen von seinen Erfahrungen mit dem CI?
    Ich vermute mal, das sind halt nur Leute, bei denen es nicht die gewünschten Erfolge erzielt.
    Warum sollten etwa hörende Eltern mit gehörlosem, implantiertem Kind, das gut damit zurechtkommt, dem Gehörlosenbund von diesem Erfolg berichten?

    Vielleicht, daß da so der Eindruck entsteht, das scheitert grundsätzlich - weil die Gegenbeispiele denen einfach nicht mitgeteilt werden?

    Es gibt auf Erden keinen Kummer, den der Himmel nicht heilen könnte. (William Paul Young, "Die Hütte") In memoriam Robert Enke

  • Guten Morgen!

    Bin die Mutter eines fast 5-jährigen Mädchens. Meine Tochter hat mit 3 und 3einhalb Jahren ihre CIs bekommen. Davor hat sie ausschließlich gebärdet. Wir sind hörend, haben auf eigene Faust mit Babyzeichen begonnen, sie hat gebärdenunterstützt Frühförderung bekommen und wir haben einen DGS-Kurs gemacht.
    Sie hat viel Spaß am Sprechenlernen und wechselt je nach Gesprächspartner automatisch in die jeweils andere Sprache.
    An lauten Orten oder über lange Distanzen versuche ich erst gar nicht, alles mehrmals zu sagen, bis sie mich versteht. Dann gebärden wir halt.
    Ohne CI zu sein ist nie eine Katastrophe für sie.
    Uns wurde gesagt, daß man keine Prognosen abgeben kann, wie gut sie überhaupt noch Lautsprache erlernen würde.
    Mir fällt auf, daß sie oft Dinge aus der DGS 1 zu 1 "übersetzt", z.B. Katze schwarz.Oder "Mama Burstag feiert".
    Dafür kann sie auf ihren gesamten Vokabelschatz zurückgreifen und braucht nur die Aussprache eines Wortes erlernen, der Begriff ist schon abgespeichert.
    Hoffentlich bleibt ihr der Spaß am Wort auch in der Schule erhalten.

    Gruß
    twomate

  • Hallo Twomate!

    Danke für den interessanten Bericht - natürlich drücke ich auch die Daumen!

    Darf ich mal fragen - Du schriebst, Ihr hättet "einen DGS-Kurs" besucht.
    Wo habt Ihr den gemacht? Denn um sich mit einem gehörlosen, gebärdenden Kind zu unterhalten, braucht es ja schon einen ordentlichen Wortschatz - jedenfalls in späteren Jahren (natürlich nicht, wenn es in einem Alter ist, wo hörende Kinder allenfalls Mama, Papa, Teddy sagen :wink: ).

    Hattet Ihr einen VHS-Kurs (oder auch mehrere) oder seid Ihr zu so Schulen wie LoorEns oder so gegangen?

    Liebe Grüße vom Regenbogen

    Es gibt auf Erden keinen Kummer, den der Himmel nicht heilen könnte. (William Paul Young, "Die Hütte") In memoriam Robert Enke

  • Hallo Regenbogen!

    Ich konnte drei Semester in einer Gruppe bei einer gl Dozentin lernen. Dann sind wir umgezogen und der Weg ist nun leider zu weit.
    Habe mir nie Gedanken darüber gemacht, ob ich mich ''richtig'' mit meiner Tochter unterhalten kann. Mir war wichtig, daß sie eine Sprache hat, in der sie sich ausdrücken kann. Natürlich war mir klar, daß sie schon bald besser gebärden würde als wir-im ersten Kitajahr war sie in einer Gruppe zusammen mit anderen gl Kindern.
    Jetzt ist sie in einem Schwerhörigenkindergarten, die Schulwahl steht noch aus. Aber ihre erste Sprache wird ihr ja immer bleiben und je nachdem, wo es hingeht, werden wir halt nachlernen oder mit unserem ''Basiswissen'' weitermachen.
    Viele Grüße
    twomate

  • Das ist natürlich toll, wenn sie das bei anderen gl Kindern lernt!
    Das wäre ja dann auch das Pendant zu dem Migranten-Argument: Migrantenkinder müssen doch auch Deutsch lernen, auch wenn ihre Eltern es nicht (richtig) können.
    Die lernen es ja auch unter deutschen Kindern - und wenn es dann ein CI-Kind unter anderen gehörlosen Kindern lernt, das ist wirklich klasse!

    (Und wenn Dein Kind es dann kann, dann lernst Du es ja wahrscheinlich auch dadurch jeweils noch ein wenig besser.)

    Es gibt auf Erden keinen Kummer, den der Himmel nicht heilen könnte. (William Paul Young, "Die Hütte") In memoriam Robert Enke

  • Twomate, danke für deinen Bericht!

    Meine Tochter war zwar nicht komplett gehörlos seit Geburt, aber ihr Sprachverständnis war sehr schlecht. Seit sie zwei ist, hat sie LBG gelernt, was sie sehr gerne angenommen hat. Vor zwei Jahren, sie war knapp 6 Jahre alt, hat sie ihr erstes CI bekommen (vor knapp zwei Wochen das zweite) und sie nutzt trotzdem noch gerne die Gebärden. Diese "Zweisprachlichkeit" finde ich sehr wichtig und möchte sie ihr auf keinen Fall nehmen. Sie hat zur Zeit noch ziemliche Defizite in Wortschatz und Grammatik, was sich aber jetzt schon durch das Lesen und Schreiben lernen deutlich verbessert. Zumindest den Wortschatz üben wir gerne mit Gebärden und Bildern. Julia lernt auf diese Weise wesentlich schneller und leichter als nur durch Sprache.

    Hier unterwegs im Namen der Neugierde! :grins: